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Eine Deutsche als Exotin

Von Cigdem Akyol

Politik
Die Serie mit Wilma Elles (im Bild) spielt in der Türkei der sechziger Jahre.

Schauspielerin Wilma Elles von 20 Millionen Menschen gesehen. | Türkische Frauen forderten Ausweisung.


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Istanbul. „Wo warst du?”, kreischt Caroline hysterisch. Sie stürzt mit ihrem tief ausgeschnittenen Hochzeitskleid auf den verspäteten Bräutigam zu und brüllt: „Ali, ich habe auf Dich gewartet. Das kannst Du doch nicht machen!” Dann setzt die Werbepause ein, gerade als Ali sich zu erklären sucht. Am Ende aber schaffen die beiden es zum Standesamt, die Herz-Schmerz-Geschichte geht in der folgenden Woche weiter.

Jeden Dienstagabend schauen bis zu zwanzig Millionen Menschen zu, wenn Caroline dem verheirateten Familienvater Ali den Kopf verdreht. Die türkische Seifenoper „Öyle bir geçer zaman ki” (Wie die Zeit vergeht) über das Auf und Ab einer schwierigen Liebe ist ein Quotenhit für den Privatsender Kanal D und der Durchbruch für die Kölnerin Wilma Elles, die Caroline spielt. Die in Deutschland unbekannte Nachwuchsschauspielerin ist am Bosporus ein Star. Riesige Plakate mit ihrem Gesicht hängen in Istanbul.

In der Serie, die in der Türkei der sechziger Jahre spielt, wird gelitten, gestritten und geschlagen. Mal ohrfeigt Caroline Alis Sohn Osman. Dann werden Tische umgeworfen, Caroline wird von Alis Exfrau niedergestochen. Wenn Elles kreischt, ist ihr ohnehin brüchiges Türkisch kaum zu verstehen. Was die Serie zeigt, ist ein modernes Land mit teuer eingerichteten Häusern, in denen gutgekleidete Menschen an der Liebe leiden. Die Erotikszenen können es an Harmlosigkeit mit jeder Rosamunde-Pilcher-Verfilmung aufnehmen.

Wilma Elles trägt ein geblümtes Kleid, ihre blonden langen Haare fallen glatt herab. Sie sitzt auf der Dachterrasse eines Luxushotels am Taksim-Platz, dem Times Square von Istanbul, und will auf keinen Fall in die Sonne. Die Menschen schauen sie irritiert an, wenn sie an ihr vorbeigehen, und wenn sie sie erkennen, schauen sie länger. Im Gespräch versucht sie geheimnisvoll zu sein, ehrlich und keinesfalls gelangweilt, wie man es von Soapdarstellern vielleicht vermutet.

Doch ihr Spiel ist hölzern, ihre Mimik wenig abwechslungsreich. In der Türkei ist vor allem ihr Aussehen ein wichtiger Faktor für ihren Erfolg: groß, schlank, blond - damit gilt sie als begehrenswerte Exotin. Nach dem Abitur studierte Wilma Elles Schauspiel in Köln und schlug sich mit Nebenjobs durch. In Joseph Vilsmaiers Fernsehfilm „Die Gustloff” hatte sie eine Statistenrolle. Für einen Werbespot saß sie neben DFB-Manager Oliver Bierhoff auf der Bank, sie assistierte Oliver Pocher in einer Show. Ein türkischer Regisseur erzählte ihr von dem Casting für „Öyle bir geçer zaman ki”. Gecastet wurde sie dann über Skype. Weil sie kein Türkisch konnte, lernte sie ihren Text Wort für Wort auswendig. Auch deshalb wurde sie ausgewählt, gesucht war eine Darstellerin mit starkem Akzent. Schon wenige Tage später, im Sommer 2010, zog sie nach Istanbul.

Keine Integrationsdebatte

Wie sie sich in der Türkei fühle? Sie ist irritiert. Dann sagt sie: „Toll.” Ob sich ihre Sichtweise auf türkische Migranten in Deutschland verändert habe? „Politische Urteile überlasse ich anderen”, lautet ihre Antwort. Wie ist es eigentlich, als einzige Deutsche mit lauter türkischen Kollegen zusammenzuarbeiten? „Super.”

Wilma Elles kennt die Fallen, die bei einem unbedachten Wort eine türkische Debatte über Deutsche auslösen können. Deswegen bleibt sie vage, sagt lieber einen inhaltsleeren Satz mehr als einen strittigen zu viel. Der türkische Boulevard unterstellte ihr schon Rollen in Softpornos und eine Affäre mit einem älteren Türken. Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen, die Fans verwechseln das wahre Leben mit der Serie. Weil Caroline eine intrigante Frau ist, forderte eine Gruppe von Frauen den türkischen Arbeitsminister auf, sie auszuweisen. Darauf angesprochen, lächelt sie diese Themen einfach weg. Sie bleibt auch in der nächsten Staffel Teil der Fließbandproduktion. Elles will irgendwann die Britin Gertrude Bells spielen, die einst allein den Orient bereiste. Eine große Hoffnung.