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Eine deutsche Herkulesaufgabe

Von WZ-Korrespondentin Christine Zeiner

Politik

Peer Steinbrück soll Merkel Paroli bieten. Doch die Kanzlerin kommt viel besser an.


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Berlin. Die konservative Kanzlerin ablösen, eine rot-grüne Regierung schaffen: Das ist das Ziel der deutschen Sozialdemokraten, und am Sonntag wird dafür eine "Krönungsmesse" gefeiert. "Auf nach Hannover. Lasst uns von Beginn an Peer Steinbrück unterstützen." Auch die Genossen der niedersächsischen Stadt Helmstedt sind dabei, wenn auf dem Bundesparteitag die Delegierten Steinbrück zum SPD-Kanzlerkandidaten wählen. Auf ihrer Webseite kündigen sie Busfahrten nach Hannover an, man wolle "gemeinsam" kämpfen.

Der Start in den Wahlkampf war wenig rosig. Schon bei der Präsentation Steinbrücks als Herausforderer von Angela Merkel vor zwei Monaten durch die SPD-Spitze waren etliche Sozialdemokraten unzufrieden - nicht nur wegen seiner bissigen, mitunter beleidigenden Art. Dem linken Flügel war Steinbrück nicht "links" genug. Auch fühlten sich manche Genossen übergangen.

Dann schaute man fassungslos, wie das Thema Nebeneinkünfte immer größer wurde und wie Steinbrück mit der Frage nach seinen Vorträgen bei Banken und Stiftungen umging. Kritik prallte schlicht ab. Der 65-Jährige fiel gegenüber der populären Kanzlerin, die der CDU in den Umfragen ein dauerhaftes Hoch beschert hat, zurück. Denn selbst wenn etwa der Kurs bei den Griechenland-Hilfen nicht geteilt wird: Bei Merkel haben viele Deutsche das Gefühl, die Kanzlern habe alles ganz gut im Griff. Sie ist zudem im Ton zurückhaltend und bei der Arbeit umtriebig.

Doch für die Sozialdemokraten ist längst nicht aller Tage Abend. Bis zur Bundestagswahl hat man noch zehn Monate. Viele Fragen sind freilich noch offen - zum Beispiel, ob es für eine Neuauflage der wenig populären Koalition von Konservativen und Liberalen reicht. Es soll wieder sozialer zugehen, verkündet die SPD. Auch weil von ihrer eigenen Sozialpolitik etliche Wähler enttäuscht waren, wurde die SPD vor vier Jahren bei der Wahl abgestraft.

Ein Bankenschreck?

Ein ähnliches Fiasko wie 2009 soll diesmal nicht passieren. Und so sollen Leiharbeiter künftig gleich viel verdienen wie die Stammbelegschaft. Der Spitzensteuersatz soll auf 49 Prozent steigen. Einst hatten SPD und Grüne die Steuer auf das heutige Niveau von 42 Prozent gesenkt. Die Rente mit 67 soll nicht wie geplant gleich starten, sondern - je nachdem, wie die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist - flexibler gehandhabt werden. Und auch die Regelungen für Langzeitarbeitslose sollen "sozialer" werden. Auf einem "kleinen Parteitag" vor zwei Wochen in Berlin zählte Steinbrück auf: Statt "Lohnuntergrenzen" wie bei der CDU soll es einen flächendeckenden Mindestlohn geben, statt der "Lebensleistungsrente" eine "Solidarrente", statt der "Flexiquote" eine verbindliche Frauenquote und statt des - mittlerweile geplatzten - Steuerabkommens mit der Schweiz eine "massive Bekämpfung von Steuersünden. "Sie werden mich häufiger nicht überheblich, aber sehr, sehr selbst bewusst diese Positionen vertreten sehen", verspricht Steinbrück.

Und der 65-Jährige inszeniert sich als "Bankenschreck". Im September legte er sein Konzept zur "Bändigung spekulativen Kapitals und Regulierung der Finanzmärkte" vor - unter anderem sollen Banken verpflichtend für künftige Finanzkrisen umfassend vorsorgen. Auch Hedgefonds sollen streng reguliert werden.

Doch wie glaubwürdig ist Steinbrück dabei? Zwei Tage nach der Präsentation Steinbrücks als SPD-Spitzenkandidat listete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" auf, wie der frühere Finanzminister der schwarz-roten Regierung "das treue Bündnis zwischen Staat und Finanzwirtschaft geschmiedet hat". Steinbrück selbst habe aus den ökonomischen Spekulationen, es könnte Banken geben, die zu groß seien, um sie fallen lassen zu können, "eine historische Gewissheit gemacht". Von Gläubigerhaftung sei damals indes nicht die Rede gewesen. Und am Donnerstag schrieb "Die Zeit" ausführlich darüber, wie die Beamten des Finanzministeriums 2006 lange Passagen aus einem Schreiben des Bundesverbandes deutscher Banken von 2002 für die Änderung eines Steuergesetzes übernahmen.

"SPD schafft kein Vertrauen"

Auch der Ökonom Rudolf Hickel sieht das große Problem der Sozialdemokraten in ihren "Widersprüchen" und ihrem Umgang mit diesen. Ja, die SPD mache gute Vorschläge, beim Thema Finanzmärkte ebenso wie beim Thema Arbeitsmarkt, sagt er zur "Wiener Zeitung". Aber die Partei bekomme es nicht hin, Vertrauen zu schaffen, indem sie ihre Agenda-2010-Politik kritisch analysiere. "Sie ist nicht in der Lage zu sagen: ,Wir haben Fehler gemacht‘."

Anders als die CDU-Chefin Merkel sieht Hickel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung Gerhard Schröder keinen positiven Einfluss: "Die Leitgröße der guten Konjunktur der Bundesrepublik ist und bleibt der Export. Aber niemand kann mir nachweisen, dass die Agenda 2010 die Exporte gestärkt hat."