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Eine Drohkulisse für die eigenen Anliegen

Politik

Wohl nicht zufällig präsentiert die Wirtschaftskammer ihre Forderungen vor dem Ende der türkis-grünen Sondierungen. Einem schwächeren Wirtschaftswachstum will die Kammer etwa mit einem Investitionsfreibetrag begegnen.


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Eine Krise fühlt sich anders an. Dennoch werden die heute, Freitag, abschließenden Sondierungsgespräche zwischen ÖVP und Grünen praktisch seit Anbeginn von einem unguten Gefühl begleitet. Die deutsche Volkswirtschaft erholt sich nicht. Eine Rezession steht ihr zwar noch nicht bevor, sie wächst ja noch. Aber deutlich schwächer als noch vor einigen Jahren.

Aber die Chancen auf eine echte Krise stehen nicht bei null. Unter anderem der Handelskrieg zwischen China und den USA schwächte die Weltwirtschaft und wirkte sich negativ auf den Exportriesen Deutschland aus, etwa auf jene in der Autoindustrie. Ein harter Brexit würde Deutschland durch die enge wirtschaftliche Verflechtung mit Großbritannien obendrein hart treffen. Als mit Abstand größter Handelspartner Österreichs geht eine dort länger anhaltende Wirtschaftsflaute auch hierzulande nicht spurlos vorüber. Österreichs Volkswirtschaft schwächelt zwar auch, aber wächst noch deutlich stärker als jene Deutschlands (siehe Grafik).

Eine Rezession im Nachbarland, vor der ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer seit längerem warnen, steht also vorerst nicht vor der Türe. Die Wirtschaftskammer nutzte die aufgebaute Drohkulisse des nachlassenden Wachstums aber, um im Rahmen eines Konjunkturgipfels ihre politischen Wünsche zu platzieren, bevor aus den Sondierungsgesprächen echte Koalitionsverhandlungen werden. Wohl auch, um dem Hauptverhandlungsthema der Grünen, der Klimakrise, in der entscheidenden Phase etwas entgegenzustellen.

Kein Bekenntnis zu einer CO2-Steuer

Recht deutlich wurde Mahrer deshalb auch in Sachen CO2-Steuer - eine der zentralen Forderungen der Grünen aus dem Wahlkampf. Er plädierte wie die ÖVP für internationale und europäische Lösungen beim Klimaschutz. Mahrer warnte vor "singulären Maßnahmen" im Inland, die zum Nachteil des Wirtschaftsstandorts werden könnten, wenn andere Länder nicht entsprechend nachziehen. Wenn, dann müssten auch alle Sektoren in gleicher Höhe zur Kasse gebeten werden und nicht in unterschiedlicher Art und Weise. Den auch das könne sich negativ auf den Standort auswirken.

Hier bekommt er Unterstützung vom deutschen Ökonomen Christoph Schmidt. Er berät als Teil eines fünfköpfigen Ökonomen-Gremiums, den sogenannten Wirtschaftsweisen, die deutsche Bundesregierung. Auch Schmidt spricht von einem globalen Klimaschutz. Das schließe jenen Europas nicht aus, aber dieser sei eben nur ein Teil des Ganzen.

Mahrer will auch keine künstliche Bevorzugung von Technologien. Der Staat solle in Form von Förderungen nicht vorgeben, welches ökologische Antriebssystem für Fahrzeuge sich letztendlich durchsetze. Ob das beispielsweise nun der Elektromotor oder Wasserstofflösungen ist, soll eher ein "Wettbewerb der besten Ideen" entscheiden.

Ansonsten fordert die Wirtschaftskammer in ihrem Programm traditionell Entlastungen, allerdings ohne eine konkrete Gegenfinanzierung anzuführen.

Die Steuer- und Abgabenquote in Österreich habe nicht abgenommen, sondern sei im Gegenteil um 0,4 Prozent auf 42,8 Prozent angestiegen, kritisierte Mahrer. Der Präsident der Wirtschaftskammer hätte nichts dagegen, wenn das bereits unter Türkis-Blau verhandelte Paket für eine Steuereform als Grundlage in die Regierungsverhandlungen einfließt. Auch das Volumen von fünf Milliarden Euro sei noch immer machbar, meint er. In dieses Paket sei bereits ein Konjunkturabschwung eingerechnet worden. Die budgetwirksamen Beschlüsse durch das "freie Spiel der Kräfte" vor der Wahl im Parlament hätten das Budget ein wenig eingeengt.

Mehr Geld für thermische Sanierungen

Neben einer steuerlichen Entlastung und Bürokratieabbau betonte Mahrer vor allem einen Investitionsfreibetrag. Mit diesem könne man die Wirtschaft ankurbeln, ohne dafür Geld in die Hand nehmen zu müssen. Einen solchen Freibetrag soll es aus Sicht der Wirtschaftskammer unter anderem für ökologische Maßnahmen geben, beispielsweise für energieeffiziente Neubauten und thermische Gebäudesanierungen. Für Letzteres hätte die Wirtschaftskammer auch gern ein höheres Fördervolumen, um die Sanierungsrate zu erhöhen. Ein Punkt, dem auch die Grünen etwas abgewinnen könnten. (jm)