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Ein glücklicher Zufall wollte es, dass just am Tag vor dem Beginn des Brüsseler Gipfels, bei dem nicht zuletzt auch die Frage einer europäischen Beistandspflicht erörtert wird, sich anlässlich einer Buchpräsentation eine erlesene Schar von Sicherheitsexperten zusammenfand. Österreichs besondere Kunst der innenpolitischen Diskussion sicherheitspolitischer Fragestellungen war - wie nicht anders zu erwarten - dementsprechend der Gesprächsmittelpunkt.
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Der Versuch der italienischen EU-Präsidentschaft, "uns doch noch ein Schlupfloch zur Teilnahme an einer Beistandsgarantie zu bieten" sei zwar "sehr nett", polterte der Ex-Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Herbert Krejci, aber seiner Ansicht nach sollte man doch auch bei der Wahrheit bleiben: "Entweder ist die EU eine Solidargemeinschaft - oder sie ist es nicht."
Eine "skurrile Situation" ortete auch Ex-Außenamts-General Albert Rohan in seinem Kommentar zur aktuellen Neutralitätsdiskussion. "Selbstverständlich gebe es eine politische Verpflichtung in der EU zur Solidarität - und wenn deshalb eine Verfassungsänderung notwendig sei, so müsse dies eben geschehen.
Für Rohan ist der Textvorschlag der Neutralen, der es einem angegriffenen EU-Staat freigestellt hätte, um Solidarität anzusuchen, eine "Verhöhnung der Partner". Aber wahrscheinlich werde die ganze Diskussion ohnehin wie das berühmte Hornberger-Schießen enden: Auf Grundlage des italienischen Textvorschlags werde es schon irgendwie gelingen, die österreichische Idealsituation mit Rechten ohne Pflichten Wirklichkeit werden zu lassen. Das jedoch, so Rohan, sei "beschämend".
Ob es - angesichts der permanenten Aushöhlung der Neutralität durch die Politik seit den 90ern - nicht ehrlicher wäre, diese einfach abzuschaffen, wollte dann der Korrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung", Charles E. Ritterband wissen.
Österreich sei - spätestens seit dem Amsterdamer Vertrag von 1999, eventuell auch schon mit dem EU-Beitritt 1995 - nicht mehr völkerrechtlich, sondern nur mehr nach innerstaatlichem Recht neutral, erklärte der Leiter des Österreichischen Büros für Sicherheitspolitik, Erich Reiter. Die Debatte um ein Ende der Neutralität sei nur zu gewinnen, wenn man aufzeige, dass diese keinen Beitrag für die Sicherheit Österreichs geleistet habe und auch nun keinen mehr leisten könne.
Der Sicherheitsexperte Heinz Gärtner wiederum warnte davor, die Beistandspflicht mit Hilfe einer konstruierten Bedrohung zu begründen. Real sei demgegenüber die Terrorismusgefahr. Und hier sei die Diskussion über die strukturierte Zusammenarbeit der EU-Militärs sehr viel wichtiger.
Präsentiert wurde übrigens das "Jahrbuch für internationale Sicherheitspolitik 2003", herausgegeben von Erich Reiter. Eine Besprechung folgt demnächst.