Kam mit der Briefwahl der Gesetzesbruch?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Bezirkshauptmann als Bezirkswahlleiter versuchte Kompetenz auszustrahlen. Bei der konstituierenden Sitzung stellte er den Fahrplan vor und es klang alles überschaubar. Am Wahlsonntag nach Wahlschluss das Feststellen der Gemeindeergebnisse. Am Montag Auszählen der Briefwahlstimmen, die bis Freitag eingetroffen waren, am Dienstag der nächsten Woche schließlich das Auszählen der Nachzügler, also aller Stimmen die der Post vor der Wahl übergeben worden sind, aber erst später eingetroffen sind.
Am Montag um 9 Uhr gaukelte alles eine gemütliche Tour vor: am Tisch Kaffee und Kuchen, ein kleiner Haufen Briefwahlkuverts, von einer routinierten Wahlbehörde rasch ausgezählt. Gewissermaßen zwischen zwei Kuchenstücken. Und hier muss eine Fehlmeinung korrigiert werden: die "Beisitzer" von den Parteien entsandt, sind die Wahlbehörde. Es gibt dann noch den Wahlleiter (auf Bezirksebene der Bezirkshauptmann) der einen rechtskundigen Beamten zu seinen Stellvertreter ernennt. Die Parteien schicken je nach Größe bis zu drei Vertreter, also SPÖ und ÖVP je drei, Grüne, FPÖ und BZÖ damals je einen. Also insgesamt neun Beisitzer und die zwei vom Amt.
30 Kuverts wurden wahllos herausgenommen und in den Tresor gesperrt. Wenn nämlich am Dienstag der nächsten Woche nur wenige Stimmen kommen, werden diese 30 untergemischt um das Wahlgeheimnis zu wahren. Einmal noch Handheben um darüber abzustimmen - auch ein Signal für einen ruhigen weiteren Tag.
Die kalte Dusche am Dienstag: fast 7.000 Kuverts lagen an dem einen Tisch, den man für die Behörde vorgesehen hatte. Tische müsse her! Der Hausmeister karrte sie heran. Leute müssen her! Der Bezirkshauptmann durchstreifte das Haus - Brieföffner müssen her! Es dürfte im ganzen Haus keine mehr gegeben haben, denn manche kamen mit drei vier Brieföffnern daher.
Anfangs noch ein hehres Ziel: pro Tisch ein Mitglied der Behörde. Scheiterte schnell an der Realität: der Versicherungsagent, der eine Schadensbesichtigung mit großer Mühe für diesen Nachmittag terminieren konnte, der Spitalsarzt, der nach einigen vergeblichen Versuchen, seinen Ersatz zu finden, schließlich sich in die Klinik verdrückte. Mit so einem langen Tag hatte niemand gerechnet. Jeder verdrückte sich mehr oder weniger lang auf den Gang hinaus, weil es galt Telefonate abzuwickeln.
Knapp konnte der Termin gehalten werden: 19 Uhr weil der Innenminister in der Zeit im Bild das Endergebnis verkünden wollte. Die Vorzugstimmen waren gegen Mitternacht ausgezählt - aber auch nur, weil der Bezirkshauptmann seine Beamten innständig anflehte.
Aber das ist eine andere Geschichte.