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Josef Pröll beendet mit 42 Jahren seine steile politische Karriere. | Acht Jahre in drei Regierungen. | Wien. "Ich habe mich nicht gegen die Politik entschieden, sondern für meine Gesundheit und meine Familie." Nach acht Jahren in der Spitzenpolitik verlässt Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll die politische Bühne und gibt heute, Donnerstag, im Bundesparteivorstand die Führung der ÖVP ab. Damit ist die Volkspartei um eine Polithoffnung ärmer.
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Zwar kommt der Neffe des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll vom Land - er wurde am 14. September 1968 in Stockerau geboren - und wurde politisch im Bauernbund sozialisiert. Aber er verstand es sehr rasch, sein ursprünglich hemdsärmelig kumpelhaftes Auftreten in einen distanzierteren, smarten Umgang abzuwandeln und so auch im urbanen Umfeld punkten zu können. Ein Wandel, der sich auch in seinen Auftritten auf der politischen Bühne widerspiegelte. Auffallend war die Änderung seiner Sprache: vom Umgangston zur Schriftsprache.
"Politik ist die Kunst des Möglichen" (Otto von Bismarck, 1871 bis 1890 erster Reichskanzler des Deutschen Reiches) - ein Leitsatz, den Pröll als seine Maxime nach seiner Angelobung als Landwirtschaftsminister am 28. Februar 2003 in der schwarz-blauen Regierung Schüssel II für sich gewählt hatte. Der beidseitige Lungeninfarkt am 18. März 2011 stellte die Möglichkeiten Prölls infrage - er sei "gerade von der Schaufel gesprungen", soll Pröll die damalige Situation beschrieben haben. Das Wichtigste im Leben ist das Leben - und der dreifache Familienvater (zwei Töchter, ein Sohn) hat sich für das Leben und gegen die Politik entschieden.
Der studierte Agrarökonom begann im Bauernbund seine politische Karriere, er arbeitete als Assistent der damaligen EU-Abgeordneten Agnes Schierhuber und wurde Kabinettschef von Wilhelm Molterer unter Schüssel I im Landwirtschaftsministerium. Von dort wechselte er als Direktor zum Bauernbund. Molterer gilt als Prölls politischer Ziehvater und als dieser 2003 Finanzminister wurde, füllte Pröll die Lücke im Lebensministerium - weniger auf Wunsch des damaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel als auf jenen seines Onkels Erwin Pröll und vor allem Molterers.
Auch nach dem überraschenden Wahlsieg von Alfred Gusenbauer 2006 - mitten in der Bawag-Affäre - und der Regierungsbildung von SPÖ und ÖVP blieb Pröll im Landwirtschaftsministerium. Und das, obwohl er lieber ein funkelnderes Ressort gehabt hätte. Aber die Zeit war noch nicht reif. Pröll nützte sie - zum Aufbau von Medienkontakten und für die Parteiarbeit. In der Regierung war Pröll für die Koordination - gemeinsam mit dem damaligen Infrastrukturminister Werner Faymann - zuständig.
Wolfgang Schüssels Hand
Der Perspektivenprozess der ÖVP, den er leitete, bot ihm ein erstes großes Parteiforum für seine Visionen einer liberalen Volkspartei. Allerdings achteten andere darauf, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. So etwa nützte Schüssel, der nur noch einfacher Abgeordneter war und bis dato ist, seine weitreichende Hand, um allzu große Modernisierungen zu verhindern - Stichwort: Homo-Ehe. Auch jetzt läuft gerade eine ÖVP-interne Diskussion, die mit einem Programmkongress in Innsbruck am 20. und 21. Mai abgeschlossen werden soll. Die Lorbeeren, sollten denn welche abfallen, wird Pröll nicht mehr ernten.
Als Wilhelm Molterer die Regierung Gusenbauer mit dem Sager "Es reicht" beendete, glaubten alle, dass damit auch für die ÖVP wieder der Weg zur Nummer eins frei wird. Aber der Traum Molterers von der Kanzlerschaft platzte am 28. September 2008 bei der Nationalratswahl, im Gefolge wurde auch er zum einfachen Abgeordneten. Kurz nachdem er die Koalitionsverhandlungen mit Faymann zu einem positiven Abschluss gebracht hatte, wurde Pröll am 28. November 2008 in Wels mit 90 Prozent zum ÖVP-Obmann gewählt.
Für Pröll begann am 2. Dezember 2008 die Zeit als Multifunktionär: Er war ÖVP-Obmann, Vizekanzler und er übernahm das wichtigste Ministerium, das Finanzressort. Die Österreicher lieben ihre Finanzminister und auch Pröll konnte mit einem großzügigen Familienpaket und der vorgezogenen Steuerreform punkten. Auch die Geschwindigkeit des ersten Doppelbudgets konnte er auf sein Konto verbuchen.
In einer Art Rede an die Nation, genannt "Projekt Österreich", im Oktober 2009 lancierte Pröll das Transferkonto und ein Konklave zur Verwaltungsreform. Aus dem Konklave wurde nichts, das Transparenzkonto kam in Verbindung mit der Mindestsicherung in anderer Form als er das wollte. Am Mittwoch monierte Pröll, dass die Zukunftsfragen nicht angegangen würden und verwies dabei etwa auf "die Bildungszukunft unserer Kinder" - ein weites Betätigungsfeld für die ÖVP.
Rasenmäher-Sparen
In der Krise gewann der Bundeskanzler deutlich an Farbe und verdrängte den bisherigen Strahlemann Pröll. Das Sparbudget 2011 wurde verschoben - die Wahlen in der Steiermark und in Wien ließen eine Debatte über ein "Blut-Schweiß-und-Tränen"-Budget nicht zu. Am Ende wurde es das gar nicht, sondern ein eher phantasieloses Rasenmäher-Sparen; die Landtagswahl in der Steiermark ging für die ÖVP dennoch verloren, in Wien wurde die ÖVP zu einer Restpartei.
Die Lobbyaffäre rund um Ernst Strasser während Prölls Rekonvaleszenz und der Zustand der ÖVP haben möglicherweise seine Entscheidung zu einem Rückzug aus der Politik erleichtert. Er gab zu, dass Anstand in der Politik zunehmend abhanden kommt und der Stillstand in der Politik prolongiert wird. Eine Zeit lang hätte er selbst es in der Hand gehabt, den Stillstand in Fortschritt zu verwandeln.