Nach 25 Jahren in der EU muss Österreich sich stärker in den Reformprozessen einbringen und damit europäischer werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die besten Jahre der österreichischen EU-Mitgliedschaft liegen bereits hinter uns. Der EU-Beitritt am 1. Jänner 1995 mit Finnland und Schweden markiert einen Meilenstein in Österreichs Nachkriegsgeschichte. Er wurde auch möglich, weil mit dem Kollaps des Kommunismus rund um das historische Wendejahr 1989 die Karten in Europa neu gemischt wurden. Österreich rückte durch die Ostöffnung und die große EU-Erweiterung 2004 in Europas Mittelpunkt. Es hat nach dem Beitritt quasi als Musterschüler alle Schritte der weiteren Vertiefung der EU-Integration mitgemacht. Die Aufgabe an Autonomie in vielen Politikbereichen (Gemeinsame Agrar-, Handels- und Geldpolitik) zugunsten einer verstärkten Mitgestaltung in der Gemeinschaft hat der heimischen Politik offensichtlich keine Schwierigkeiten bereitet. Im Gegensatz zu den Briten, die im Brexit-Referendum den Nutzen dieser Kompetenzverschiebung nach Brüssel geringer einschätzten als die Wiedererlangung staatlicher Autonomie. In Österreich sind derzeit 75 Prozent für einen Verbleib in der EU.
In 25 Jahren EU-Mitgliedschaft wurde Österreich moderner und transparenter. Durch die Komplexität der juristischen und politischen Verflechtung mit der EU müssen nationale politische Entscheidungen mit der EU abgestimmt werden. Bereits die Ostöffnung 1989 war für Österreichs Wirtschaft wie ein "windfall profit" in Form der Erweiterung des Außenhandelsradius und neuer Investitionsmöglichkeiten. Es profitierte vom "k. u. k."-Vorteil und konnte an der "Mini-Globalisierung" in Osteuropa voll partizipieren. Die Integrationsschritte - EU-Beitritt 1995 (Binnenmarkt), Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion, Euro-Einführung 2002, EU-Erweiterung 2004 von 15 auf 28 Mitglieder - versetzten Österreichs Wirtschaft jeweils einen Wachstumsschub. Durch mehr Handel, Direktinvestitionen, schärferen Wettbewerb und den Wegfall der Wechselkursunsicherheiten stieg das reale BIP jährlich zusätzlich um 0,5 bis 1 Prozentpunkte.
In naher Zukunft sind keine weiteren großen Integrationsimpulse seitens der EU zu erwarten. Die Erweiterung befasst sich mit den restlichen Westbalkanstaaten - allesamt arme Länder. Der Verlust Großbritanniens als wichtiges EU-Mitglied wird kaum ersetzbar sein. Die Türkei kommt als Mitglied kaum noch in Frage. Auch wenn der "Euro für alle" in den übrigen EU-Mitgliedstaaten realisiert werden sollte, ist dessen ökonomischer Nutzen kaum messbar. In dieser Situation kann Österreich nur aktiver als bisher an der Gestaltung der Zukunft der EU teilnehmen. Baustellen gibt es genug: Abfederung des Brexit mit einem ausgewogenen Handelsabkommen, Reform der Eurozone, mehrjähriger Finanzrahmen 2021 bis 2027. Die EU-Kommission will mit einem "Grünen Deal" Europas Wirtschaft bis 2050 klimaneutral machen, Österreichs neue Regierung peilt dieses Ziel bereits zehn Jahre früher an. All dies mündet in einer grundlegenden Umstellung der Wirtschaft (Dekarbonisierung). Ist dieser EU-interne Kraftakt nicht schon Aufgabe genug, kommen noch diverse internationale Unsicherheiten (etwa Handelskonflikte) dazu.
Eine Langfassung des Textes ist als Policy Brief der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) erschienen: www.oegfe.at/policybriefs