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Die nächsten Jahre werden wirtschaftlich mehr als mühsam werden - und doch wird das ein Fall von Leiden auf relativ hohem Niveau werden.
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Kanzlerin Angela Merkel sprach jüngst vor dem deutschen Bundestag unheilschwanger von der "schwersten Stunde Europas seit dem Zweiten Weltkrieg" und hatte damit wahrscheinlich sogar recht. Man muss kein Ökonomie-Nobelpreisträger sein und auch kein notorischer Schwarzmaler, um angesichts der eskalierenden Wirtschaftskrise dem Jahr 2012 mit gemischten Gefühlen und höchst bescheidenen Erwartungen entgegenzusehen. Wirtschaftlich wird es mühsam werden.
Trotzdem - oder gerade deshalb - ist es vielleicht ganz günstig, sich von Zeit zu Zeit des enorm hohen Wohlstandsniveaus bewusst zu sein, auf dem sich diese schwere Krise entfaltet. Denn selbst wenn die nähere Zukunft signifikante Einbußen an materiellem Wohlstand bringen wird - und das ist sehr wahrscheinlich -, so wird auch der verminderte Wohlstand noch immer ein sehr beachtlicher sein. Von der Mercedes-E-Klasse unter den Volkswirtschaften ein paar Jahre auf die C-Klasse umsteigen zu müssen, mag als unerquicklich empfunden werden - wirkliches Leiden sieht aber ganz anders aus. Daher hinken, Gott sei Dank, auch die Vergleiche mit den 1930ern in dieser Hinsicht völlig. Damals bedeutete eine schrumpfende Wirtschaftsleistung bekanntlich den Abstieg vieler in Armut und Elend; heute bedeutet selbst eine bittere Rezession für die Mehrheit - vielleicht sogar erhebliche - Einbußen an Komfort, aber keine existenzielle Bedrohung.
Das hat nichts mit Schönfärberei oder Verdrängen von Problemen zu tun. Aber weil bekanntlich zu Tode gefürchtet auch gestorben ist, erscheint es nicht unvernünftig, die zu Recht grassierende Krisenangst einmal ein wenig auf ihr realwirtschaftliches Substrat abzuklopfen.
Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group versuchte das jüngst in einer Studie, die unter Experten einiges Aufsehen erregte. Sie kam nämlich zum eher gruseligen Schluss, dass womöglich im Endspiel der Krise eine Entwertung der Vermögen um 20 bis 30 Prozent droht. Sapperlott!
Nun wäre das gewiss nicht sehr erbaulich. Aber: Selbst ein Schrumpfen der heimischen Wirtschaftsleistung um 20 Prozent, also ein mehr als katastrophaler Crash, brächte uns größenordnungsmäßig zurück auf das Niveau von 2000. Und dieses Jahr war nicht wirklich von verelendeten Massen und ausgemergelten Gestalten in bitterer Winterkälte geprägt, wenn die Erinnerung nicht ganz trügt. In Österreich ist die Saturierung mit Gütern aller Art derart hoch, dass auch eine Periode des krisenbedingten Unterkonsums keinen Massensuizid zur Folge haben sollte. Wer wie in den 1930ern keinen Wintermantel mehr hat, hat naturgemäß ein ernstes Problem. Wer aber die fünf H&M-Mäntel im Kasten halt ausnahmsweise nicht routinemäßig wegwirft und durch neue ersetzt, sondern ein Jahr länger trägt, wird sich deshalb nicht sofort politisch radikalisieren müssen. Das heißt nicht, dass die nächsten Jahre und die dann drohenden materiellen Restriktionen Anlass zu übermäßiger Heiterkeit geben werden, ganz und gar nicht. Aber vor einer Rückkehr der 1930er Angst zu haben, entbehrt jeder Grundlage. Bis auf weiteres zumindest.