Kündigungsschutz für Behinderte gelockert, aber Vorurteile bleiben. | Viele Pflichtstellen bleiben unbesetzt. | Wien. "Sie sind vorbildlich im Einsatz, haben Freude an der Arbeit und zählen sicher zu unseren loyalsten Arbeitnehmern." Fünf der 160 Mitarbeiter von Heinz Haberl, Geschäftsführer der Kärntner Umlauft Textilservice GmbH, haben eine Behinderung. Damit erfüllt das Unternehmen die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Pflicht zur Einstellung behinderter Arbeitnehmer.
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"Wir machen das nicht aus sozialen Gründen, sondern weil wir finden, dass Menschen mit einer Behinderung eine faire Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen sollen", sagt Haberl.
Die Vorstellung, einen Menschen mit Behinderung einzustellen, löst noch immer bei vielen Arbeitgebern Unbehagen aus, und motivierte und qualifizierte Arbeitssuchende mit Behinderung warten oft vergeblich darauf, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. "Bei uns im Betrieb gibt es keine geeigneten Arbeitsplätze für Behinderte", heißt es da oft. Oder: "Wir würden ja gerne Menschen mit Behinderung einstellen, aber wir finden niemand Geeigneten."
17.109 Betriebe hätten im Vorjahr zumindest eine Person mit Behinderung einstellen müssen. Tatsächlich haben aber nur 3869 Betriebe oder 22,6 Prozent diese Pflicht zur Gänze erfüllt. Arbeitnehmervertreter und Behindertenorganisationen können die Gründe der Arbeitgeber, warum sie die Einstellpflicht nicht erfüllen können, nur schwer nachvollziehen. Zumindest das einstige Totschlagargument "Die werden wir nie wieder los, weil wir sie nicht kündigen können", könne nicht mehr ins Treffen geführt werden, denn der besondere Kündigungsschutz für behinderte Arbeitnehmer wurde nun gelockert.
Vorurteile müssenausgeräumt werden
Wer hierzulande einen Mitarbeiter mit einer Behinderung von mindestens 50 Prozent kündigen will, braucht dazu die Zustimmung des Bundessozialamts. Früher griff der besondere Kündigungsschutz schon nach sechs Monaten, seit heuer wird dieser spezielle Schutz erst nach vier Jahren wirksam.
Haberl hat durchaus Verständnis für Unternehmen, die vorsorglich keine behinderten Mitarbeiter einstellen. "Es funktioniert auch bei uns nicht immer reibungsfrei", sagt er. Doch bisher sei es immer noch gelungen, in klärenden Gesprächen eine Lösung für die betreffenden Mitarbeiter zu finden. Sich von einem behinderten Mitarbeiter zu trennen, war auch schon bisher nicht unmöglich. 2010 landeten 530 Kündigungsverfahren beim Behindertenausschuss des Bundessozialamts. In lediglich 19 Fällen wurde die Kündigung abgewiesen, in 95 Fällen wurde der Kündigung zugestimmt. 415 Verfahren wurden zurückgezogen, und es kam zu einvernehmlichen Lösungen, etwa in Form von Umschulungen oder Arbeitsplatzwechseln.
"Die Unternehmen wissen zu wenig über die verschiedenen Förderungen Bescheid, die es für behinderte Arbeitnehmer gibt", ist Martina Chlestil von der Abteilung Sozialpolitik in der Arbeiterkammer Wien überzeugt. Und die Vorurteile gegenüber Behinderten - sie seien öfter im Krankenstand, weniger leistungsfähig und müssten besonders geschont werden - seien noch fest in den Köpfen verankert.
"Umdenken ist nötig", sagt Gregor Demblin, Kommunikationschef von Career Moves, einer Online-Jobinitiative für Menschen mit oder ohne Einschränkungen. Nicht jeder Arbeitsplatz sei für einen behinderten Menschen geeignet, aber es gebe jede Menge Jobs, für deren Ausübung eine Behinderung kein Hindernis sei. Oft verfügten Behinderte wegen ihres Handicaps sogar über besondere Qualifikationen, betont Demblin.
Behinderteneinstellungsgesetz
Alle Arbeitgeber, die in Österreich 25 oder mehr Dienstnehmer beschäftigen, sind verpflichtet, je 25 Arbeitsplätze mindestens einen begünstigten Behinderten einzustellen. Begünstigte Behinderte sind Menschen mit einem behördlich festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent.
Die Pflicht ist auch dann erfüllt, wenn eine Beschäftigung unter der sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze von 374,02 Euro monatlich vereinbart wurde. Bestimmte begünstigte behinderte Arbeitnehmer, etwa Blinde, Rollstuhlbenutzer, Behinderte unter 19 oder über 55 Jahren, Behinderte in einem Ausbildungsverhältnis, werden doppelt auf die Pflichtzahl angerechnet.
Betriebe, die die Beschäftigungspflicht nicht oder nur teilweise erfüllen, müssen für jeden begünstigten Behinderten, der zu beschäftigen wäre, eine Ausgleichstaxe entrichten. Diese beträgt für Betriebe mit weniger als 100 Arbeitnehmern 226 Euro monatlich. Ab 100 Mitarbeitern sind es 316 Euro, ab 400 Mitarbeitern 336 Euro im Monat.