Auch Österreich bestätigt Asylantrag, der wegen Formalfehlern abgelehnt wird.
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Moskau/Wien. Die Schlinge um Edward Snowden zieht sich zu. Der von der US-Justiz wegen Geheimnisverrats angeklagte Whistleblower sitzt seit mehr als einer Woche im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo fest, weil ihm kein Land Asyl gewähren will. Rund 20 Staaten hat der Aufdecker des NSA-Abhörprogramms Prism zu Wochenbeginn um Aufnahme ersucht, darunter auch Österreich und andere EU-Länder. Bisher vergeblich. Angeführt werden rechtliche Gründe.
Die Strategie der US-Regierung, massiven Druck auf die Regierungen auszuüben, funktioniert. "Niemand in der EU will die heiße Kartoffel angreifen", meint Asylanwalt Wilfried Embacher. Auch Heinz Gärtner vom Österreichischen Institut für Internationale Politiksieht politische Motive hinter dem Versteckspiel Europas. "Die EU will sich die diplomatischen Beziehungen zu den USA wegen der Causa Snowden nicht zerstören". Ebenso wenig wollte sie "die bevorstehenden Verhandlungen mit den USA über das transatlantische Freihandelsabkommen ernsthaft aufs Spiel setzen", gibt sich der Politologe im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" überzeugt. "Die EU muss sich aber natürlich aufregen, nachdem Snowden publik gemacht hat, dass nicht nur EU-Bürger, sondern auch EU-Institutionen abgehört wurden. Aber der Aufschrei ist ein Sturm im Wasserglas".
Asyl der Wahrheit geopfert
Bisher hat sich lediglich Russland bereiterklärt, Snowden aufzunehmen, allerdings unter der Bedingung, dass dieser aufhört, "unseren amerikanischen Partner zu schaden". Der Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter dürfte also keine weiteren Details über das geheime Abhör- und Spionageprogramme des US-Geheimdienstes NSA preisgeben. Snowden zog daraufhin am Dienstag sein Gesuch zurück, berichtete der Kreml.
In Wien bestätigte derweil Innenministerin Johanna Mikl-Leinter, dass Snowdens Antrag Montagnachmittag bei der österreichischen Botschaft in Moskau eingebracht und nach Wien weitergeleitet wurde. Da ein Asylantrag laut Rechtslage aber nur dann anerkannt wird, wenn er "im Inland, persönlich und gegenüber einem Organ der Sicherheits- und Asylbehörden" gestellt werde, will Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck im Telefonat mit der "Wiener Zeitung" lediglich von einem "Schreiben" Snowdens sprechen.
Auch in sämtlichen übrigen EU-Staaten sind sogenannte Botschaftsverfahren unzulässig; womit Spaniens Regierung begründete, dass auch sie Snowdens Asylantrag erst gar nicht prüfe. Snowden, der ohne gültigen Reisepass dasteht, weil ihm dieser von den USA inzwischen aberkannt wurde, müsste also erst einmal illegal in einem EU-Staat landen, um dort ein Asylgesuch stellen zu können. In genau diesem Land muss er dann - aufgrund der Dublin-II-Verordnung - auch sein Asylverfahren durchführen lassen. Sollte der Antrag negativ entschieden werden, hat er auch in keinem anderen EU-Land mehr eine Chance auf politischen Schutz.
Käme es im Fall des IT-Experten zu einem Asylverfahren in Österreich, würde sich alles um die Frage drehen, ob ihm in den USA "Strafverfolgung oder aber politisch motivierte Verfolgung unter dem Deckmantel der Strafverfolgung" drohe, sagt der bekannte Asylrechtsexperte Georg Bürstmayr. Im zweiten Fall - wenn er also nicht nur gegen US-Strafrecht verstoßen hätte, sondern ihm aufgrund seiner "imminent politischen Aussagen" Strafverfolgung drohe - sei die Genfer Flüchtlingskonvention anzuwenden und Snowden Asyl zu gewähren.
Die breite Überwachung ausländischer Staaten, von EU-Institutionen und deren Staatsbürgern, die Snowden aufgezeigt habe, sei ein massiver Verstoß gegen die US-amerikanische Verfassung und das Völkerrecht, so der Jurist weiter. Daher würde er im Fall eines Verfahrens argumentieren, dass es in der Causa Snowden nicht um die "Durchsetzung des Rechtsstaates" gehe, sondern der 30-Jährige aufgrund des Aufzeigens dieses "Skandales" mit "massiver strafrechtlicher Verfolgung" zu rechnen habe.
Noch kein US-Haftbefehl
Selbst wenn der Ex-Geheimdienstmitarbeiter als politischer Flüchtling anerkannt würde, sei er jedoch nicht vor einer Auslieferung sicher, so Bürstmayr. Das zuständige Strafgericht sei nämlich nicht an die Entscheidung der Asylbehörden gebunden und ziehe allein die Frage, ob Snowden im Ausland ein "faires Verfahren" zu erwarten habe, in Betracht. Dies würde nur dann automatisch negativ beantwortet, wenn dem Whistleblower die Todesstrafe drohe. Bisher liegt noch kein internationaler US-Haftbefehl gegen ihn vor; solange dies so sei, würde Österreich ihn, wie Mikl-Leitner betonte, nicht ausliefern. Doch das kann sich ändern, weshalb Bürstmayr Snowden empfiehlt, in ein Land auszureisen, das kein Auslieferungsabkommen mit den USA hat - etwa nach Ecuador. Dort zeigt man aber weiterhin wenig Interesse, die USA zu sehr zu brüskieren. Auch mächtige Player wie Indien oder Brasilien winken ab.