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Der Widerstand gegen die Aufstockung des Winterthur-Gebäudes wächst, auch die französische Botschaft ist nicht begeistert.
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Wien. Die geplante Aufstockung des Winterthur-Gebäudes am Karlsplatz hat nicht nur für koalitionären Zwist in der Stadtregierung gesorgt. Auch in Teilen des Diplomatischen Corps sorgt sie für Reibereien, die bis hin in die staatliche Ebene reichen.
Das von Georg Lippert 1971 entworfene Bürogebäude liegt in einem Botschaftsviertel: Von Griechen über Kolumbianer bis hin zu Australiern haben hier zahlreiche Länder ihre Vertretungen und Residenzen. Und das Haus liegt natürlich auch an der Karlskirche, von der es gerade einmal drei Meter entfernt ist. Da ist manch einer erleichtert, dass es wenigstens nicht so hoch ist. Doch schon bald - so der Plan, der die Zustimmung der grünen Planungsstadträtin Maria Vassilakou hat - soll es um zwei weitere Etagen und ein Staffelgeschoß wachsen. Dagegen laufen Bürger seit mehr als einem Jahr Sturm. Die Plattform "Rettet die Karlskirche" hat schon 6500 Unterschriften gegen das Ansinnen gesammelt. Prominente Gegner sind etwa der Künstler Erwin Wurm und Gerald Matt, ehemaliger Direktor der Kunsthalle Wien. Sie alle haben inzwischen internationale Unterstützung erhalten. Besonders betroffen von der Aufstockung des Winterthur-Gebäudes ist nämlich die französischen Botschaft, in der man dabei ist, die Contenance zu verlieren.
"Die Aufstockung bedeutet eine Abwertung für das ganze Viertel", ist man in der Botschaft empört. In der Tat finden sich in der Umgebung sonst nur historische Gebäude. Die Aufstockung würde dem modernen Bau, der bisher zumindest teilweise von Bäumen verdeckt ist, ein neues Ausmaß an Prominenz verleihen. Besonders bitter für Frankreich: Der Botschaft wird nicht nur der Blick auf den Karlsplatz genommen, sie wird auf dieser Seite auch quasi eingebunkert.
"Dass das Gebäude seinerzeit überhaupt gebaut hat werden dürfen, ist an sich schon eigenartig", kommen die Franzosen aus dem Staunen nicht heraus. Bis dahin war die 1909 fertiggestellte Botschaft ein integraler Bestandteil des Karlsplatzes. Ihr Emblem - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - prangte für jedermann gut sichtbar und für die damalige Monarchie provokant über dem Viertel. So wie das Emblem 1971 aus dem Sichtfeld eliminiert wurde, so würde die Aufstockung des Bürogebäudes die Botschaft an sich aus dem Sichtfeld am Karlsplatz verschwinden lassen.
Kleiner Affront
Die Franzosen schickten einen offiziellen Protest an das Außenamt und erklärten ihre Situation. Dies beantwortete man am Minoritenplatz offenbar mit einem kleinen Affront. Neben einer knappen Erklärung habe das Außenamt die Telefonnummer des zuständigen Sachbearbeiters bei der Stadt Wien übermittelt.
Keine Sorgen um ihre Aussicht auf den Karlsplatz müssen sich wiederum die Australier und Neuseeländer machen. Deren Botschaften befinden sich nämlich im Winterthur-Gebäude. Und fast wäre es eine Botschaft mehr geworden. Die Kanadier sind nämlich wegen Veränderungen an ihrem derzeitigen Standort auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Die hatten die Nordamerikaner dem Vernehmen nach just in diesen zwei neuen Stockwerken gefunden. Das hätte aus dem Winterthur-Gebäude eine nette kleine Commonwealth-Gemeinde gemacht und wäre auch im Sinne der Frankophonie gewesen: Die Kanadier wären nur einen Steinwurf von den Franzosen, Schweizern und Belgiern entfernt gewesen. Angesichts der politischen Brisanz, die sich um das Bürohaus entwickelt hat, hat man von dem Vorhaben, ins Winterthur-Gebäude einzuziehen, jedoch Abstand genommen.
Immerhin für kurze Zeit hatten Aufstockungsgegner Hoffnung schöpfen können. Denn Bürgermeister Michael Häupl bekundete vor gut einer Woche sein Interesse, das Gebäude vom derzeitigen Eigentümer - der Zurich Versicherung - zu kaufen, auf die Aufstockung zu verzichten und darin das Wien-Museum unterzubringen. Darüber war wiederum Maria Vassilakou erbost. So erbost, dass Häupl kurze Zeit später zurückruderte und sagte: "Ich nehme zur Kenntnis: Es ist zu spät, das ist gelaufen."
Das Büro von Vassilakou wies auf Nachfrage darauf hin, dass man nicht für die Ästhetik, sondern nur für den ordentlichen Ablauf des Architektur-Wettbewerbs zur Gestaltung des Winterthur-Gebäudes zuständig sei. Die achtköpfige Jury bestand aus einem Vorstandsmitglied der Zurich-Versicherung, Dienststellenleitern der MA19 (Architektur und Stadtgestaltung) und MA21 (Stadtteilplanung und Flächennutzung), dem Direktor des Wien Museums, Entscheidungsträgern von Zurich und Architekten. Der Baustart ist für Winter 2017 oder Frühjahr 2018 geplant.