Die Südkoreaner wählen heute ein neues Parlament. Vom Ausgang des Urnengangs hängt auch die politische Zukunft von Präsident Roh Moo Hyun ab, der im Zuge eines Amtsenthebungsverfahrens vorübergehend sein Amt niederlegen musste.
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Ausschlaggebend für eine Rückkehr ist neben der juristischen Entscheidung die Frage, ob es der ihm nahe stehenden Uri-("Wir")-Partei, die bisher nur rund ein Fünftel der Parlamentssitze stellte und im Wahlkampf nun all ihre Kraft mobilisierte, gelingen wird, trotz des angeknacksten Präsidentenimages zuzulegen. Roh hatte die Rückkehr in sein Amt von einem deutlichen Volksvotum abhängig gemacht - eine Voraussetzung, die sich durchaus erfüllen könnte: letzte Umfragen schlossen erstmals ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Liberalen mit der größten Oppositionspartei GNP nicht aus.
Der ehemalige Menschenrechtler war im März wegen unerlaubter Wahlwerbung für seine Partei mit Zwei-Drittel-Mehrheit vorübergehend seines Postens enthoben worden. Das letzte Wort hat nun das Verfassungsgericht, das bis September über die Rechtmäßigkeit der Parlamentsentscheidung befinden muss. Beobachter rechnen aber spätestens bis zum Sommer mit dem Richterspruch, der voraussichtlich zugunsten Rohs ausfallen wird. Bis dahin leitet Ministerpräsident Goh Kun die Staatsgeschäfte.
Das Machtvakuum an der Spitze des Landes kommt den Südkoreanern angesichts des komplizierten Nachbarn Nordkorea und der angespannten Lage im Irak, wo Südkorea gegen den Willen der Mehrheit 700 Soldaten stationiert hat, äußerst ungelegen. Eine Wiederkehr Rohs, der für eine klare Versöhnungspolitik mit Pjöngjang und für mehr Unabhängigkeit von Washington steht, wird daher von vielen befürwortet. Dies dürfte sich auch im Ergebnis der heutigen Wahl niederschlagen.