Moskau hat kein Interesse an Annexion von Donezk - Gebiet ist wirtschaftlich am Boden.
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Moskau. Im Donbass, der Region im Osten der Ukraine, hängt alles an der Kohle. Das heutige Donezk - einst die Machtbastion des gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch - ist 1869 als Jusowka entstanden, aus dem verballhornten Namen des britischen Unternehmers John Hughes abgeleitet, der dort eine Eisenhütte baute. Später kamen eine Eisengießerei und eine Maschinenfabrik dazu, Kokereien und die erste Fabrik für Stickstoffdüngemittel in Russland. 1924 wurde die Stadt in Stalino umbenannt. 37 Jahre später - 1961 - wurde der Name des Diktators von der Landkarte getilgt. Die Stadt wurde auf Donezk umgetauft, das sich vom Fluss Nördlicher Donez ableitet.
Heute lebt in Donezk knapp eine Million Menschen, zusammen mit dem umliegenden Industriegebiet sind es 1,7 Millionen. Laut der Volkszählung von 2001 stellen Russen 48,2 und Ukrainer 46,7 Prozent der Bevölkerung. Russisch ist dort Amtssprache.
Anders als auf der Krim stehen die Einwohner von Donezk mehrheitlich einem Anschluss an Russland kritisch gegenüber. Auch Moskau scheint nicht wirklich bereit zu sein, das Industriegebiet mit seinen Kumpeln und Stahlarbeitern - von denen viele arbeitslos sind - zu übernehmen. Vergangene Woche erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow offiziell, sein Land habe kein Interesse daran, sich die östlichen Regionen der Ukraine einzuverleiben. Stattdessen erwarte er, dass mit einer Föderalisierung der Ukraine eine größere Selbstständigkeit der Regionen zustande komme, lautete seine Botschaft an den Westen.
Russland braucht den Anschluss gar nicht: Ukrainische Großbetriebe - viele von ihnen praktisch Museen der Sowjettechnik - sind ohnehin in die russische Wirtschaft integriert. Für die ostukrainische Industrie ist Russland der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt. Die Ukraine liefert Elektromotoren, Eisenbahnwagen, Stromerzeuger und Teile für russische Flugzeuge sowie Atomanlagen. Aus Russland kommen Energieträger und Rohstoffe.
Zudem käme die Ostukraine den Staat teuer. Von allen ostukrainischen Gebieten erwirtschaftet nur Charkow Gewinne. Donezk und Lugansk benötigen die meisten Subventionen, gerade auch für die Kohleförderung. Zudem ist der "inoffizielle Sektor" der Wirtschaft riesig. Nach Schätzungen der Weltbank wandern 40 bis 60 Prozent der Gewinne aus der Produktion in die Schattenwirtschaft. Große Kohlegruben bleiben geschlossen. Die Hälfte der Bevölkerung verdient sich ihren Lebensunterhalt in den kleinen, illegalen Bergbauschächten. Die Schattenwirtschaft wird von Kriminellen und ukrainischen Oligarchen gedeckt. Die Grenze zwischen diesen beiden ist oft fließend.
Oligarchen in der Zwickmühle
Doch es gibt durchaus legale und profitable Unternehmen, etwa Eisen- und Buntmetallhütten, die von den Milliardären Rinat Achmetow und Dmytro Firtasch - gegen den in Österreich ein US-Auslieferungsverfahren läuft - kontrolliert werden. Auch der weltgrößte Chemiekonzern Styrol ist hier tätig, er liefert vor allem nach Russland.
Die Oligarchen stecken in der Zwickmühle: Falls sich die Moskauer Führung nun doch für den Anschluss entschließen sollte, wären sie auf den guten Willen im Kreml angewiesen. Und den haben sie sich verscherzt, als sie sich gegen den moskautreuen ukrainischen Ex-Präsidenten Janukowitsch gestellt hatten. Doch wenn sich Kiew entschließt, gewaltsam in Donezk vorzugehen, würde Moskau seinen Markt für dortige Unternehmen schließen - was Achmetow und Firtasch noch härter treffen würde.
"Die Frage des Anschlusses stellt sich gar nicht", ist der Direktor des russischen Instituts für Globalisierungsprobleme, Boris Kagarlizki, überzeugt. Die "Donezker Republik" wolle gar nicht nach Russland. Sie wolle nur mehr Eigenständigkeit in Form eines Autonomiestatus. "Der Kreml hat kein Interesse, die ukrainischen Probleme nach Russland zu holen", meint der Experte. Sonst könnte die ukrainische "Seuche" namens Nationalismus auch hier um sich greifen.