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Eine fragwürdige Ortstafel-Volksbefragung

Von Franz Witzeling

Gastkommentare

Ist es ein Beispiel potemkinscher Kirchturmpolitik, ein kostspieliger Schildbürgerstreich oder ein Zeichen der Existenz von politischen Parallelwelten zur egomanischen Selbstinszenierung?


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Man könnte schlichtweg reflexartig mit dem Abwehrreflex eines hierzulande permanenten argumentativen Notstands "Kärnten ist anders" kontern, wenn man logisch erklären sollte, warum man, nach der Einigung in Sachen Ortstafeln, die Bürger Kärntens zu einer Volksbefragung in Briefwahlform nötigt.

An den Bierstammtischen hört man fast unisono, die Volksbefragung, sei "für den Hugo" oder für einen anderen politischen Namensträger, der sich dadurch eine von Steuergeldern bezahlte, gerade in Zeiten wie diesen notwendige PR erwartet.

Doch, so fragen sich die bisher braven Bürger, die aber auch in Kärnten "schön longsom" zu Wutbürgern mutieren, "wo sei ma denn?", wenn man die aus dem Bauch kommende Feststellung "bin i woch oder tram i" als Indiz interpretiert, dass viele Menschen das Gefühl haben, in politischen Parallelwelten zu leben. Man kann das Gefühl nicht loswerden, politischen Sand ins Auge gestreut zu bekommen. Und nach kurzem Augenreiben und nachfolgendem Beklopfen der Fassade des für die Bürger aufgezogenen politischen potemkinschen Dorfes stellt man fest, dass es sich, im wahrsten Sinne des Wortes, um einen mit Stolz vertretenen Schildbürgerstreich handelt.

Eine Frage stellt sich bei all der Kärntner Skurrilität - oder Schrulligkeit, wie man hier lieber hört - noch: Wer von den Bundespolitikern bis hin zum, auch in Kärnten engagierten, Bundespräsidenten bringt Licht ins Dunkel, in ein Bundesland, wo sonst von Natur aus immer die Sonne scheint? "Der Sack ist zu", so hörte man von den Verhandelnden der Ortstafellösung, die hinter verschlossen Türen erfolgte. Will man nun nach dieser historischen Einigung der politischen Eitelkeit und Willkür nachträglich wieder Tür und Tor öffnen?

Man ist überzeugt, dass das Votum der Briefwahl überwältigend "pro" ausfallen wird. "Pro" was? Für wen? Es ist eine "beispiellose Verarsche" der Menschen, denen die Politiker schon längst zum Hals heraushängen, was sich in der bekannten Politikverdrossenheit ausdrückt.

Diese von der Regierungsmehrheit verordnete Volksbefragung ist nur ein weiterer Meilenstein und Beweis einer Scheindemokratie, was immer man sich darunter vorstellen will, und wird das Prinzip Hoffnung (Ernst Bloch), dass es politische Besserung gibt, weiter schwinden lassen.

Franz Witzeling ist Soziologe und Leiter des Wiener Humaninstituts.