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Eine Fraktion im Iran muss beim Atomstreit nachgeben

Von David Ignatius

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Die iranische Bevölkerung steht offenbar hinter einem Abkommen im Atomstreit. Doch einflussreiche Hardliner widersetzen sich.


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Die Visitenkarte von Hossein Shariatmadari weist ihn als "Repräsentant des obersten Führers" in Irans führender konservativer Zeitung "Kayhan" aus. Hört man sich seine unerschütterliche Unterstützung der iranischen Revolutionspolitik an, wird klar, wie schwer es wird, das Atomabkommen zu erreichen, das viele Iraner, mit denen ich in Teheran gesprochen habe, wollen.

Shariatmadari sagt offen, dass er nicht an einen Kompromiss mit dem Westen glaubt: "Die Identität beider Seiten ist Teil des Konflikts. Das Problem wird nur gelöst, wenn eine Seite ihre Identität aufgibt, nur dann." Der Herausgeber des "Kayhan" setzt seine machtvolle Stimme ein, um sich einem von Präsident Hassan Rohani und Außenminister Mohammad Javad Zarif ausgehandelten Abkommen zu widersetzen. Er glaubt nicht, dass der Iran das sechsmonatige Einfrieren, das im Vormonat in Genf ausgehandelt wurde, unterzeichnen hätte sollen.

Können Hardliner wie Shariatmadari und Führer der Revolutionsgarde ein Abkommen verhindern? "Zarif hat die Unterstützung von 90 Prozent der Iraner", ein Abkommen auszuhandeln, das die Sanktionen aufhebt und Irans Isolation verringert, sagt ein iranischer Banker, aber die Spitze, repräsentiert durch Shariatmadari und die Revolutionsgarde, habe das Sagen. Deren Macht ist eine entscheidende Variable im Iran. Die radikalen Wurzeln des Regimes sind noch immer intakt. Und die Atomverhandlungen konfrontieren den Iran tatsächlich mit einem Kampf um die eigene Identität. Das zeigt sich in den öffentlich ausgetragenen Gefechten zwischen Zarif und seinen Kritikern.

Die Unterstützung der Bevölkerung für Rohani stammt auch vom Überdruss nach acht Jahren Amtszeit des aufhetzerischen Ex-Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad. Dieser schien Vergnügen darin zu finden, den Westen mit anti-israelischen Hetzreden zu schockieren. Vielen Iranern war das peinlich. Die Menschen verbinden die Ahmadinejad-Jahre mit schlechter Wirtschaftspolitik und korrupter Bevorzugung der Machtelite. Rohani erhielt bei den Wahlen eine 51-Prozent-Mehrheit. Würde er noch einmal antreten, erhielte er noch mehr, sagte Saeed Laylaz, ein prominenter Wirtschaftsjournalist: "Wir unterstützen ihn bedingungslos."

Die Sehnsucht der Bevölkerung, der Freudlosigkeit der Islamischen Republik zu entkommen, zeigt sich bei Kleinigkeiten. Ein Iraner erzählte mir vom neuen Trend, in das irakische Kurdistan zu fahren und 100 Dollar zu zahlen, um Popmusiker zu hören, die nicht in den Iran kommen können. Auch Billigreisen in weniger restriktive Länder boomen. Dubai und Istanbul, bisher die Favoriten, sind so teuer geworden, dass Iraner, die es sich gut gehen lassen wollen, zu billigen Flügen nach Jerevan und Tiflis greifen.

Shariatmadari glaubt, dass diese Versuchungen des Westens Gift sind. Sogar US-Präsident Barack Obamas Anruf bei Rohani im September sieht er mit Argwohn als Versuch, den Iran zu erniedrigen. Ich fragte ihn, ob Rohani hätte auflegen sollen. Er antwortete mit einem seltenen Lächeln: "Wir glauben an die Höflichkeit."

Übersetzung: Redaktion