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Eine Frau für Rubeus Hagrid

Von Elisabeth Hewson

Reflexionen
Martina, die große Frau aus Österreich, erregte überall Aufsehen. Unten: Das Geburtshaus von Martina Hinterberger in Pfaffstätt.
© Archiv

Harry Potters bärtigem Riesen-Freund hätte sie sicher gefallen. Doch die "Riesin von Paffstätt" starb bereits 1930. Obwohl sie den größten Österreicher aller Zeiten, den Riesen von Lengau, noch überragte, ist sie samt ihrer tragischen Geschichte fast völlig in Vergessenheit geraten. Die letzten Zeitzeugen erinnern sich.


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"Gschaut habn wir schon immer, wenn sie vorbeigegangen ist, aber dass wir sie sekkiert hätten, daran kann ich mich nicht erinnern. Glacht hamma schon, wenn die Mutter auf einen Sessel gestiegen ist, um sie abzumessen. Aber bös war eigentlich keiner zu ihr. Jeder hat sie gemocht." Das erzählt Hedwig Neuhauser, deren Mutter Schneiderin war und die in den späten 20er Jahren, damals noch ein Kind, erlebt hat, dass eine wahrhaftige Riesin ihre Wohnstube betrat, um sich bei ihrer Mutter riesige Kleider nähen zu lassen.

"Sie ist ja immer gebückt gegangen, und zur Tür hat sie fast nicht herein können. Und wenn sie sich ganz aufgerichtet hat, da war plötzlich die ganze Stube finster."

Begonnen hat die tragische Geschichte der Martina Hinterberger, eines von sechs Kindern eines Zimmermannes aus Pfaffstätt 3 in Oberösterreich, am 7. Jänner 1906 in einem kleinen, mit Schindeln verkleideten Haus, das heute noch steht und selbst für normal Gewachsene winzig wirkt: Die Eingangstüre kaum 1,70 Meter hoch, die Stube niedrig, die Fenster klein, der kleine Holzbalkon in gefährlicher Höhe über dem Hausbankerl. Alle ihre Geschwister waren hochgewachsen, vor allem für die damalige Zeit, doch Martina überragte sie bald alle.

Ihre endgültige angebliche Größe von 2,64 Meter ist möglicherweise eine geschäftstüchtige Übertreibung der Zirkusleute gewesen, mit denen sie später durch Deutschland und bis London zog. Franz Bendlinger, erst kürzlich verstorben, damals ein Nachbarsbub, der sie ebenfalls gut gekannt hat, glaubt, dass sie höchstens 2,40 Meter war. "Wenn sie bei uns war, ist sie gerade nicht an der Decke angekommen, und die war sicher nicht höher." Doch da Martina Hinterberger ja nie wirklich aufrecht ging - viel zu sehr schämte sie sich für ihre Riesengröße -, ist das auch kein wirklicher Maßstab. "Beim Melken hat sie sich ganz zusammenkrümmen müssen, damit sie überhaupt unter die Kuh kommt. Meistens ist sie gekniet", konnte Franz Bendlinger noch beobachten.

Und so verbrachte Martina Hinterberger ihr Leben: gebückt, kniend, kauernd. "Die Heugabeln, die Rechen, das war ja alles viel zu klein für sie", weiß Frau Neuhauser und bedauert sie heute. "Früher hat das für uns halt komisch ausgeschaut als Kinder, die große Martina und die kleine Gerätschaft."

Als man ihr nach einem Zirkusbesuch anbot, mitzukommen, sie brauche nur zu lächeln, bekäme hübsche Kleider und könne reich werden, überlegte sie nicht lange: Martina packte ein paar Habseligkeiten zusammen und wurde zur Zirkusattraktion, zur "Wideawake Gian-tess from Vienna".

Wie grässlich das für Martina gewesen sein muss, die nie von zu Hause fort war, die es schon in ihrer vertrauten Umgebung hasste, wenn sie jemand anstarrte, die ruhig und in sich gekehrt, schüchtern und menschenscheu war, kann man sich nicht einmal annähernd vorstellen: In einen engen Wohnwagen gepresst, in fremden Städten unterwegs, rundum fremde Sprachen, von ihren Kollegen - wie man später aus einigen ihrer Erzählung andeutungsweise entnehmen konnte - bedrängt, die offenbar alle erzählen wollten, wie es im Bett einer Riesin so zuginge, es muss die Hölle für Martina gewesen sein. Aus Wien, Augsburg, Köln, Charlottenburg, Berlin (von wo noch eine heimwehkranke Ansichtskarte erhalten ist) und London schickte sie brav Geld an ihre Familie und eines Tages über das österreichische Konsulat in London einen Hilferuf: Man hatte sie mitten in der Nacht, nach fast einem Jahr Zirkusleben, in London einfach aus ihrem Wohnwagen auf die Straße geworfen. Wahrscheinlich, weil sie sich immer noch "zierte". Ganz genau hat sie das nie erzählt.

"Einen riesigen roten Apfel hat sie mir in die Hand gedrückt", erinnert sich Franziska Erhard an den 13. Februar im Jahr 1929, als Martina nach Hause kam. Sie arbeitete wieder im Ort in einem benachbarten Gasthof, später bei ihrer Tante auf einem Hof in Griehaus. Noch stiller, noch gebeugter, bald von der Welt vergessen, aus der zunächst noch Angebote ins Haus geflattert waren: Aus Linz, wo man ihr eine Stelle in einem Café anbot. Auch der Chef der Agentur "Varieté Westend" aus Wien, Gustav Zwicker, bestürmte den Vater von Martina brieflich: "Ein Verdienst von drei- bis viertausend Schilling im Jahr weist man nicht so von der Hand, ohne darüber näher gesprochen zu haben und garantiere Ihnen, dass Ihre Tochter in ein anständiges Haus kommt und gut aufgehoben bei mir ist."

Martina weigerte sich, arbeitete still vor sich hin. "Immer hab ichs gsehn mit dem Rechen gehn, ein langes Gstell", sind die letzten Erinnerungen von Hedwig Neuhauser an Martina Hinterberger, die 1931 an Typhus erkrankte und am 20. Juni im Krankenhaus Braunau starb. Sie war noch nicht 25. Dort wurde sie auch begraben, das Grab aber später aufgelassen. Heute erinnert nur noch eine Gedenktafel an der Kirche in Pfaffstätt, wo auch ihre Familie begraben ist, an die unglückliche Riesin Martina Hinterberger: Nur ihr Geburtshaus, einige Fotos und Postkarten, ihr Heimatschein und die Eintragung im Totenbuch gibt es noch. Und die vagen Erinnerungen ihrer Nichte und einiger Nachbarn.