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Eine Frau will das "neue Gesicht der Slowakei" werden

Von Lubo Fuzak

Politik

Preßburg · "Ich will das neue Gesicht der Slowakei werden, ich will die Veränderung vom November 1989 und September 1998 manifestieren", sagte Magda Vasaryova am Tag der offiziellen | Bekanntgabe ihrer Kandidatur für die slowakische Präsidentschaft. Daß sie in den Ring steigen will, war seit längerem bekannt. Die ersten Umfragen dürften sie darin bestärkt haben. Innerhalb von | wenigen Wochen erreichte sie bereits den zweiten Rang und verwies Ex-Staatschef Michal Kovac klar auf den dritten Platz.


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Der Abstand zum Kandidaten der Regierung, dem Kaschauer Bürgermeister Rudolf Schuster, scheint aber noch unerreichbar zu sein. Schuster verfügt über eine fast doppelt so hohe Zustimmung wie

Vasaryova. Ihr unerwartet guter Start in den Umfragen verdeutlicht jedoch bereits jetzt die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen in der Slowakei nach Vladimir Meciar.

Vasaryovas Kandidatur ist für die Slowakei Zumutung und Herausforderung zugleich. Die attraktive Frau wurde als CSFR-Diplomatin eine Vertraute von Präsident Vaclav Havel und symbolisierte wie kaum

jemand anderer die Ablehnung des Nationalismus in allen seinen Schattierungen. Das waren die besten Voraussetzungen, um später in der patriarchalen und klerikal-nationalen Slowakei auf eine Mauer des

Unverständnisses zu stoßen.

"Ich kann gute Krautsuppe kochen, aber auch Verhandlungen führen", sagt Vasaryova an die Adresse der Skeptiker, die meinen, daß eine Frau nicht an der Spitze des Staates zu stehen habe. Von den

Anhängern der früheren Regierung wurde sie immer wieder auf das Gröbste diffamiert. Unvergessen sind das Blitzlichtgewitter bei den Salzbuger Festspielen, das ihr Kleid praktisch durchleuchtete, und

ihre fabelhafte Rolle in einem poetischen tschechischen Film, in dem sie in Bier badet. Der Streifen von Oscar-Preisträger Jiri Menzel gehört zu den besten Werken der tschechischen Filmgeschichte.

Dennoch wurde beides zur peinlichen Munition gemacht, um die hervorragende Schauspielerin und später erfolgreiche Diplomatin mit sexistischen Vorwürfen zu attackieren.

Vasaryova versucht, damit locker umzugehen. "Wer meinen Busen sehen will, soll ins Filmarchiv gehen", sagte sie bereits zu Beginn ihrer Diplomatenkarriere 1990 in einem Interview. Seitdem widmete sie

sich nicht mehr der Schauspielerei und baute seit 1993 in Preßburg eine unabhängige Gesellschaft für Außenpolitik auf. Sie brachte mehr angesehene ausländische Gäste in die Slowakei als die damalige

Regierung Meciar.

Die Powerfrau aus Preßburg war erfolgreich, aber nicht ganz glücklich. Aus ihrer Kritik an der damals kraftlosen Opposition machte sie kein Hehl. Vasaryova betrachtete die Zerstückelung der

Opposition sowie die halbherzigen Vereinigungsversuche mit größter Skepsis. Daß sie von der neuen Regierung dann bei Botschafterernennungen übergangen wurde, war weder klug noch großzügig. Vasaryova

ist die fähigste und bekannteste slowakische Diplomatin, sie weigert sich jedoch, sich in ein enges parteipolitisches Korsett zu zwängen.

Die Diplomatin und ehemalige CSFR-Botschafterin in Wien mit einem unübersehbaren Hang zur darstellenden Kunst und zum Dramatisieren geht zum richtigen Zeitpunkt in die politische Arena. Die

bekennende Anhängerin der Eliten-Theorie hat die Massen erreicht. Die bürgerliche, liberal-urbane Wählerschaft, die Jüngeren und Gebildeteren, also weite Teile der Wählerschaft der neuen Regierung,

liefen zu Vasayrova über. Sie überzeugt diese Schicht mehr als der nicht gerade jugendlich wirkende Kovac, der auch ein Symbol der widersprüchlichen letzten zehn Jahre ist.

Vasaryova ist der rare Beweis, daß es auch in der Slowakei Persönlichkeiten gibt, die weder eine kommunistische noch eine nationalistisch angehauchte Vergangenheit haben. Sie ist zwar noch nicht

mehrheitsfähig, gewinnt aber immer mehr an Einfluß. Auch wenn sie die Präsidentenwahl nicht für sich entscheiden wird, dürfte der Wahlkampf der Beginn einer bewerkenswerten politischen Karriere einer

Frau abseits der etablierten Parteien werden.