Thermen profitieren, viele Österreicher entfliehen Last Minute in den Süden.
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Wien. "It’s spring", verkündet ein Aufkleber auf dem Schaufenster eines Textilhändlers in Wien, in dem die pastellfarbene Frühjahrskollektion zu sehen ist - doch bei den frostigen Temperaturen denken nur wenige Konsumenten an luftigere Kleidung. Die Modehändler tun sich schwer, ihre Frühjahrs- und Sommerware an die Kunden zu bringen. In den Sportgeschäften werden dort, wo vor ein paar Wochen noch Ski standen, jetzt Fahrräder angeboten - aber das Wetter spielt nicht mit. Und auch in Garten- und Baumärkten sind weniger Kunden als sonst einkaufen.
"Die derzeitige Wettersituation ist für uns eine kleine Katastrophe. Niemand kann bei diesen Temperaturen garteln", sagt Alois Wichtl, Geschäftsführer von Bellaflora. Das heiße aber nicht, dass das Jahr für den Pflanzenhändler verloren sei, denn die Garten-Hauptsaison dauert bis in den Frühsommer: "Zusammengezählt wird im Juni."
"Ende März sehnen sich
die Gäste nach Sonne"
Im Tourismus kommt der späte Wintereinbruch nicht allen gelegen: "Ende März sehnen sich die Gäste nach Sonne. In den Skigebieten möchten die Urlauber Sonnenskifahren", sagt Johann Schenner, Tourismus-Spartenobmann in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Er erwartet, dass die Thermen zu Ostern am stärksten vom Wetter profitieren. Mit der bisherigen Wintersaison ist Schenner zufrieden.
Der frühe Ostertermin in diesem Jahr rechnet sich für niedrig gelegene Skigebiete, die dadurch bis zu den Feiertagen durchgehend die Lifte in Betrieb haben. Fällt Ostern wie im kommenden Jahr auf den 20. April, "fällt für diese Skigebiete das Ostergeschäft aus", sagt Schenner.
Genug vom Schneefall haben jene, die derzeit mit einem Last-Minute-Urlaub im Süden der Kälte entfliehen wollen. Besonders Ägypten sei aufgrund der derzeitigen Temperaturen ein gefragtes Reiseziel, heißt es von einer Mitarbeiterin der Restplatzbörse.
Arbeitslosenzahlen am Bau steigen witterungsbedingt
Am härtesten treffen die kalten Temperaturen die witterungsabhängige Baubranche: Im Tiefbau können erst ab mindestens fünf Grad Arbeiten an Wasserleitungen oder Kabeln gemacht werden. Im Februar waren 68.600 Personen am Bau arbeitslos, so viele wie in keiner anderen Branche. Für März rechnet Christoph Wiesinger von der WKO-Geschäftsstelle Bau mit "katastrophalen" Arbeitslosenzahlen in der Branche.
Die Witterung kann die geplante Fertigstellung von Bauten verzögern, den Firmen entstehen zusätzliche Kosten. "Im östlichen Flachland und im Donauraum wird der außergewöhnlich hartnäckige Winter stärkere Spuren in den Firmenbilanzen hinterlassen als im Westen, wo üblicherweise länger Schnee liegt", erwartet Wiesinger. Der Umsatz und die Leistung, die im März verlorengingen, seien nicht mehr aufzuholen, sagt Bau-Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel.
Praktisch keine negativen Folgen hat der lange Winter hingegen in der heimischen Landwirtschaft: Die Vegetation verzögert sich zwar etwas, die Ernte ist jedoch nicht in Gefahr. Weder bei Obst, Wein noch auf den Äckern seien die Temperaturen derzeit ein Problem, heißt es von Experten. Problematisch wäre Frost nach einer wärmeren Phase.
Auch im Osten des Landes wurde viel Streusalz verkauft
Für den Salzhersteller Salinen Austria war der diesjährige Winter nur ein "leicht überdurchschnittlicher", sagt Stefan Maix, Chef der Salinen Austria. "Es war außergewöhnlich, dass wir auch im Osten Österreichs sehr viel Auftausalz verkaufen konnten." Streusalzengpässe gab es keine.
Wie sich der lange Winter auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auswirkt, darüber teilen sich die Meinungen. "Dieses Schneewetter ist gut fürs BIP", meint Wifo-Experte Marcus Scheiblecker. Für das BIP "fast noch wichtiger" sei der Ostertermin: Durch den frühen Termin kommen mehr ausländische Gäste zum Skifahren nach Österreich. In Deutschland hingegen erwartet der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Alexander Schumann, dass durch den langen Winter der Wirtschaft zwei Milliarden Euro entgehen. "Besonders die Bauwirtschaft und das Transport- und Verkehrsgewerbe leiden."
Fürs Heizen werden die Österreicher heuer etwas mehr zahlen müssen. Wien Energie rechnet durch den langen Winter mit um ein Prozent höheren Heizkosten. Da der Winter in Summe nur geringfügig kälter als der vorangegangene gewesen sei, verändern sich die Heizkosten laut EVN-Sprecher Stefan Zach kaum.