Nur ehrliche Preise und Spargesinnung machen den Planeten "enkeltauglich".
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Der Klimawandel wird immer sichtbarer. Er ist noch - aber nur noch kurz - zu verhindern, die Techniken sind bekannt, die Staaten haben unterschrieben. Aber USA und Brasilien steigen aus, Rechtspopulisten negieren ihn, nennen das Thema nicht wichtig oder missbrauchen Klimasorgen für Protektionismus. In China und Indien verdunkelt der Smog die Riesenstädte, aber es gibt wichtigere Probleme.
In dieser Situation muss Europa die Führung übernehmen. Das wäre auch wirtschaftlich ein Vorteil, wie neue Jobs und europäische Technologien für den Export. Das reduziert Schäden, die Notwendigkeit von Schneekanonen, bringt eine längere und gesündere Lebenserwartung. Der Vorreiter gewinnt, der Nachzügler zahlt, abgesehen davon, dass wohlhabende Länder vorausgehen müssen. Die Devise "no goldplating" oder "warten, bis die Chinesen das Gleiche tun" ist falsch. Sie hat Österreich vom Musterland in den schwachen Mittelstand zurückgeworfen.
Klimapolitik ist vielschichtig, muss aber strategisch geplant und gut kommuniziert sein. Die Preise müssen ehrlich sein und die verursachten Schäden wiedergeben, die Umsätze müssen Anstrengungen belohnen. Aber wenn der Benzinpreis steigt, kommen "Gelbwesten", Pendler fühlen sich benachteiligt. Daher müssen die Einnahmen zurückgegeben werden - für niedrige Einkommen mit höherem Bonus als für höhere. Jede Änderung schmerzt, der negative Teil wird als sicher genommen, der positive als Versprechen oder Täuschung. Vielleicht nicht zu Unrecht: Die Abgaben sind in Europa höher als in allen anderen Regionen und steigen seit Jahrzehnten. Schon wird von links mehr Geld für Klimainvestitionen, Pensionen und Pflege gefordert, von rechts für Militär und Polizei. Ja, man braucht einiges davon, aber wenn der "Big Brother" das halbe Einkommen aufbraucht, müssen neue Prioritäten durch Umschichtung möglich sein: keine Subventionen für fossile Energie oder neue AKW, weniger für Großbauern und die Queen, Kasernenverkäufe. Auch hier muss man ehrlich sein, nicht nur bei den Preisen.
Auch gemeinsame EU-Projekte brauchen mehr Geld, aber dafür muss man nicht alle unwichtigen Dokumente in mehr als 20 Sprachen übersetzen. Die EU-Kommission könnte auch Einsparungen empfehlen und weniger Straßen, mehr E-Mobilität und Recycling verlangen. Europäische Investmentfonds müssten aufhören, fossile Projekte zu finanzieren. Für neue Steuern ist es ein schlechter Zeitpunkt, für Reformen wäre es ein guter. Die neue EU-Kommissionspräsidentin hat einen "Europäischen Green Deal" angekündigt, Deutschland wählt neue Parteiführungen und übernimmt die Ratspräsidentschaft, Österreich wählt die Grünen in die Regierung, die EIB will zur Klimabank werden.
Am 28. November (18 Uhr) wird in der Diplomatischen Akademie über ein Konzept für eine neue Führungsrolle Europas in der Klimapolitik diskutiert. Wilhelm Molterer, Direktor der "Klimabank" EFSI, präsentiert neue Finanzierungsmodelle, Miranda Schreurs von der Hochschule für Politik in München und Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin sind auch dabei. Da wird Ehrlichkeit bei Preisen, aber auch bei Reformen eingemahnt: Spargesinnung, Wirtschaftsfreundlichkeit, Klima- und Verteilungspolitik sind keine Einzeldisziplinen, sondern verlangen ein Gesamtkonzept.