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Verletzung des Urheberrechtes "kein Verbrechen". | Piratenpartei ist ideologisch neutral, stimmt in der EU aber mit den Grünen. | "Wiener Zeitung": EU-Kommissarin Vivane Reding hat gesagt, dass Internetpiraterie unter Jugendlichen sexy ist. Glauben Sie, dass Sie mit ihr eine gute Gesprächsgrundlage haben?
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Christian Engström: Ich denke, dass Frau Reding und ich die Möglichkeiten des Internets von sehr unterschiedlichen Perspektiven aus sehen.
In der EU-Kommission berät man gerade das Problem des illegalen Datentransfers. Ihrer Meinung nach geht es da also in die falsche Richtung?
Es geht definitiv und total in die falsche Richtung. Die Kommission und viele andere Kräfte wenden all ihre Energie auf, um die Möglichkeiten der Zukunft zu blockieren und die gesamte jüngere Generation zu kriminalisieren.
In ihrem Programm fordern Sie, dass das Copyright auf fünf Jahre begrenzt wird. Ist das dann nicht doch etwas kurz?
Nein. Zuerst einmal wollen wir, dass jegliches nicht-kommerzielles Kopieren vom ersten Tag an vollkommen frei ist. Und für kommerzielle Zwecke wollen wir das Copyright auf fünf Jahre beschränken. Das Copyright ist ein Anreiz für Investoren, ihr Geld anzulegen - egal ob es sich dabei um einen Film, ein Computerspiel oder ein Elektrogerät handelt. Wenn Sie das Ganze also aus dem Blickwinkel eines Investors betrachten, brauchen Sie den Schutz nur so lange, bis sie das investierte Geld wieder zurückhaben und einen angemessenen Profit gemacht haben. Es gibt keinen Investor auf der Welt, der mit einer längeren Amortisationszeit rechnen würde als fünf Jahre.
Nehmen wir ein Buch her oder ein Musikstück. Viele Autoren werden erst weit nach ihren Erstveröffentlichungen bekannt. Wenn Konsumenten dann Gefallen an ihnen finden und sich deren Frühwerke besorgen wollen, sähen die Autoren dafür kein Geld mehr.
Stimmt genau. Aber vergessen Sie nicht: Sinn des Copyrights ist nicht, dass der Rechte-Inhaber jeden möglichen Cent für sich herausquetscht. Die Idee des Copyrights ist es, eine Balance zu finden, um einerseits genug Anreiz zu geben, damit Menschen investieren, so dass Werke geschrieben und produziert werden, und diese andererseits so viele Menschen wie möglich erreichen.
Viele renommierte Künstler sagen: "Illegales Herunterladen ist Diebstahl."
Die irren sich ganz offensichtlich. Wenn diese Künstler egal welchen Juristen konsultieren, so wird er mehr als glücklich sein, ihnen zu erklären, dass Urheberrecht und Diebstahl zwei völlig verschiedene Rechtsbereiche sind. Eine Verletzung des Urheberrechts ist eine Verletzung des Urheberrechts - und nichts Schreckliches oder gar ein Verbrechen.
Es fällt schwer, die Piratenparteien einzuordnen. Von ihrer Grundhaltung her müssten Sie eigentlich den Liberalen nahestehen. Würden Sie dort ihre politische Heimat sehen?
Wir sind ganz ausdrücklich weder links noch rechts. Wir haben auch keine Position zu Steuern oder anderen Links- oder Rechts- Themen. Wir tun das auch ganz gezielt, damit wir mehr Mitglieder und Unterstützer aus dem gesamten politischen Spektrum ansprechen können. Das möchten wir auch weiter so halten. Wir bleiben neutral.
Sollte ihre Partei weiter wachsen, werden Sie aber irgendwann gezwungen sein, zu Themen wie Steuern Stellung zu beziehen. Die Grünen haben ursprünglich auch als ökologische Partei begonnen und dann an Profil dazugewinnen müssen . . .
Das stimmt, aber wir haben eine andere Strategie. Wir sagen, dass wir sowohl eine linke als auch eine rechte Regierung unterstützen würden. Wir sind mit beiden glücklich, solange sie bereit sind, die bürgerlichen Freiheiten im Internet schützen.
Im Europaparlament haben Sie sich den Grünen angeschlossen. Werden Sie da immer mit deren Vorgaben mithalten?
Ja, die Grünen sind unseren Forderungen am nächsten gekommen, dafür stimmen wir bei allen anderen Themen mit ihnen.
Die Schweiz hat seit kurzem auch eine Piratenpartei, allerdings haben deren Gründer keinen Kontakt zu den schwedischen Piraten. Trachten Sie nicht danach, sich international auf eine einheitliche Linie abzustimmen?
Es stimmt, dass wir nicht soviel Kooperation haben, wie wir gerne hätten, aber wir haben schon etliche internationale Treffen gehabt. Bisher waren wir zu sehr mit unserem EU-Wahlkampf beschäftigt.
"Wir wollen das Copyright für kommerzielle Zwecke auf fünf Jahre beschränken."
Zur PersonLars Christian Engström wurde 1960 in Stockholm geboren. Der Programmierer und Politiker ist stellvertretender Vorsitzender der schwedischen Piratenpartei. Er ist mittlerweile als erster Vertreter einer Piratenpartei in das EU-Parlament eingezogen.