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Ab dem fünfzigsten Geburtstag ist Arbeitssuche fast chancenlos. | Personalabbau durch Fusionswellen. | Wien. "Es ist die Hölle" meint Frau E. - nämlich Arbeit zu finden in ihrem Alter. Die 51-jährige Akademikerin weiß, wovon sie spricht. Nach mobbingähnlichen Vorfällen an ihrem letzten Arbeitsplatz hat sie 2006 entnervt gekündigt.
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Gut für das Unternehmen: Es musste somit nicht das seit 1999 übliche Strafgeld bezahlen, wenn man einen Arbeitnehmer über 50 kündigt. Frau E. ist freiwillig aus ihrem Job geschieden. Doch einen neuen zu finden, gestaltete sich schwierig: Zu alt, zu teuer, und sicherlich auch zu unflexibel sind die pauschalen Argumente, mit denen die meisten Arbeitgeber Bewerber ihrer Altersklasse ablehnen.
Einzelne AMS-Kurse
Ein Jahr lang war Frau E. arbeitslos. Im Arbeitsmarktservice (AMS) besuchte sie zuerst die Englisch-Kurse. Im April bot das AMS dann erstmals einen neuen Coaching-Kurs ("Aktiv 50+") an, der sich an Akademiker und Führungskräfte richtete. Es war bisher der erste und letzte - noch bleibt offen, ob das AMS diesen Kurs weiterführen wird.
Die Evaluierung und die Gelder dafür stehen noch aus, obwohl der Kurs gut angenommen wurde: "Man musste äußerst selbständig arbeiten, das System war wenig schulisch." Gelehrt wurde neben Bewerbungs-strategien Selbsterkenntnis und das Erstellen eigener Homepages: Denn viele der über 50-Jährigen haben die Hoffnung auf eine Anstellung aufgegeben und wollen sich selbständig machen. Manchen wurde allerdings im Zuge des individuellen Coachings klar: "Ich bin nicht der Typ für die Selbständigkeit."
Frau E. hat Glück gehabt: Als bisher einzige ihrer Gruppe arbeitet sie seit drei Monaten wieder, diesmal im Universitätsbereich. Bei fünf ihrer ehemaligen Kurs-Kollegen beim AMS sollte es sich in den nächsten Wochen entscheiden, ob deren Bewerbungen erfolgreich waren. Zwanzig Teilnehmer waren es insgesamt.
Einige werden vielleicht nichts finden und irgendwann frustriert die frühestmögliche Pension beantragen, damit das Suchen ein Ende hat.
Absprung Invalidität?
Doch dieser Weg ist ihnen durch die Pensionsreformen erschwert worden. Statt Frühpensionen gibt es jetzt Korridorpensionen, und als manchmal einziges Schlupfloch die Invaliditätspension. Der Zugang zu dieser ist zwar erleichtert worden (weshalb die OECD auch in ihrem jüngsten Österreich-Bericht den Anstieg an Invaliditätspensions-Beziehern bemängelte) - wirklich leicht ist er aber immer noch nicht.
Also müssen die Arbeitssuchenden weiterhin Bewerbungsformulare ausfüllen und hoffen. "Durch die Konjunktur beginnt sich der Arbeitsmarkt zu drehen. Qualifizierte Kräfte mit 40 oder 45 Jahren sind durchaus gefragt", meint Karina Homan von der Personalagentur Homan&Statzer. "Vor allem, wenn Erfahrung und menschliche Reife gesucht sind."
Die Personalvermittlerin gibt allerdings zu: Der 50. Geburtstag wird zum Quantensprung. Ab da würde es bedeutend schwerer werden. "Da macht das Alter dann schon was aus", so Homan. Zahlen des AMS unterstreichen die Aussage: Waren 2006 im Jahresdurchschnitt nur rund 29.450 Personen zwischen 45 und 49 als arbeitslos gemeldet, so erhöht sich deren Zahl um mehr als die Hälfte, wenn man die Gruppe über 50-Jähriger betrachtet: Denn in dieser Altersklasse waren rund 46.510 Personen ohne Arbeit.
Das sind schlechte Nachrichten für jene qualifizierten Kräfte zwischen 50 und 65, die aufgrund von Übernahmen und ähnlichem abgebaut werden.
"Bei einem internationalem Konzern wie BP ist es noch immer ein ungeschriebenes Gesetz, mit 60 in Pension zu gehen", erklärt der ehemalige Generaldirektor von BP Österreich, Roland Pototschnig. Auch er ist auf Wunsch seines Arbeitgebers knapp vor dem 60. Lebensjahr in Pension gegangen. "Ich wusste, dass das auf mich zukommt." Begünstigt wird diese Philosophie unter anderem durch Fusionswellen. "Dann hat man sowieso immer Leute zu viel. Zu meiner Zeit hat BP allein in Österreich Mobil, Castrol und Aral übernommen. Da entstehen viele Doppelgleisigkeiten", erzählt Pototschnig. "Allerdings werden sich die Firmen das bald aufgrund der demographischen Entwicklung nicht mehr leisten können." Die Firmen wüssten das zwar, stellten sich aber mehrheitlich noch immer nicht darauf ein. "Noch gibt es ja genügend Jüngere."
Rentner mit Tatendrang
Die Frühpensionierung war trotz Vorbereitung ein Schock für Pototschnig: "Es kann ja wohl nicht sein, dass man bis zum letzten Tag wertvoll ist und dann auf einmal nicht mehr. Für mich war klar, ich will noch etwas tun."
Einen "normalen" Arbeitsplatz hat Pototschnig nicht mehr gefunden - aber dafür eine andere Möglichkeit, seine Energien zu kanalisieren: den Austrian Senior Experts Pool (ASEP).
Dort bilden pensionierte Führungskräfte ein Kompetenznetz von "Experten im Unruhezustand", das kleinen und jungen Unternehmen bei Management-Entscheidungen mit seiner Erfahrung unter die Arme greift: "Wir helfen ihnen Kunden zu finden, einen Businessplan aufzustellen und Geld aufzutreiben."
Für die Senioren ist es "eine Bereicherung unseres Lebens: "Die Verantwortung, die Erfolgserlebnisse - all das, was wir in unserem Berufsleben hatten, haben wir weiter." Und Hauptsache man bleibe aktiv, so Pototschnig: "Wir alle kennen das hässliche Bild des Tauben fütternden Rentners: Das macht depressiv."
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