Unabhängiger Finanzsenat stellt fest, wann Pendeln unerträglich wird. | Wien. Herr B. ist Baustellenleiter. Sein Hauptbeschäftigungsort ist in Wien, doch ist er mit ständig wechselnden Arbeitsstätten konfrontiert. Eine Zeitlang sei sogar eine Baustelle in Ungarn im Gespräch gewesen. Daher wohnt B. unter der Woche oft in Wien, der Familienwohnsitz liegt im Burgenland.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Seine Gattin wohnt seit 2002 ausschließlich am Familienwohnsitz. Seit November 2004 geht sie dort einer Vollzeitbeschäftigung nach, davor bezog sie Karenzgeld von über 2200 Euro jährlich.
Der Unabhängige Finanzsenat (UFS) musste sich mit der Frage beschäftigen, ob Herr B. jeden Tag nach Hause fahren könnte oder ob sein Leben an zwei Wohnsitzen aus Sicht der Finanz gerechtfertigt sei.
Denn Herr B. beantragte Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten für die Jahre 2003 bis 2007. Zwar sei die Entfernung zwischen Wien und seinem Familienwohnsitz kürzer als 120 Kilometer - erst auf dieser Distanz werden grundsätzlich Werbungskosten für Zweitwohnsitze anerkannt -, trotzdem sei es aufgrund seiner Arbeitszeiten unzumutbar für ihn, jeden Tag nach Hause zu fahren. Als Baustellenleiter sind die Tage lang. Herr B. beginnt seinen Arbeitstag im Allgemeinen um 6 Uhr Früh und arbeitet - mit Pausen - oft bis 20 Uhr am Abend.
Weiters konnte er glaubhaft machen, dass die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels während der gesamten Zeit nicht möglich war. Seine Fahrzeit gab er mit (mindestens) eineinhalb Stunden pro Fahrt an, je nach Witterung auch erheblich länger. Es sei ihm daher aus medizinischen Gründen und wegen Übermüdung und der damit verbundenen Unfallgefahr nicht möglich, täglich zum Familienwohnsitz zurückzukehren. Weiters machte er Werbungskosten für Wohnungs- und Telefonkosten (10 Euro monatlich) geltend, die zwecks beruflich notwendiger Erreichbarkeit anfallen.
Entscheid: Minimum11 Stunden Ruhezeit
Strittig war die Frage der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz. Der UFS anerkannte eine Fahrzeit von maximal 1,5 Stunden pro Strecke und nahm eine Entfernung von rund 92 Kilometer an. In Anbetracht der Stundenaufzeichnungen ging der UFS von einer Arbeitszeit inklusive Pausen von zwölf Stunden aus. Selbst bei Hinzurechnung von (nur) zwei Stunden Fahrtzeit pro Tag ergibt das bei täglichem Pendeln eine Tagesrestzeit von lediglich zehn Stunden. In Anlehnung an das Arbeitszeitgesetz (AZG), wonach eine tägliche Ruhezeit von mindestens elf Stunden einzuhalten ist, erkannte der UFS die Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt an.
Differenzierter sah der UFS die Frage der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung. Er anerkannte die Unzumutbarkeit erst ab November 2004. Da die Gattin während der Karenz kein aktives Einkommen erhalten hat, wäre die Wohnsitzverlegung ohne Arbeitsplatz zumutbar gewesen.
Eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Arbeitsplatzes sei etwa nur in Fällen gegeben, wenn der Ehegatte des Steuerpflichtigen am Ort des Familienwohnsitzes eine Erwerbstätigkeit ausübt. Die Einkünfte am Familienwohnsitz müssen ein Zehntel der - aktiven - Einkünfte am Beschäftigungsort betragen und eine Mindesthöhe von 2200 Euro jährlich aufweisen.
Ebenso ist die Verlegung des Wohnsitzes unzumutbar, wenn die Arbeitsstätte ohnedies ständig wechselnd ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine häufige Abberufung zu entsprechend weit entfernten Arbeitsstellen gegeben ist. Gleiches gilt, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet ist.
Bezüglich der Entfernung ist die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 Kilometer entfernt ist.
Begründete Ausnahmen zur 120-Kilometer-Regel
In begründeten Einzelfällen kann schon bei einer kürzeren (schlechte Verkehrsverbindungen oder unregelmäßige Arbeitszeit) Wegstrecke Unzumutbarkeit angenommen werden. Abzustellen ist jedenfalls auf das tatsächlich benutzte Verkehrsmittel.
Im konkreten Fall erkannte der UFS bezüglich der Höhe der Werbungskosten - neben der unstrittigen Familienheimfahrt - die Wohnungskosten bestehend aus Strom, Gas und Miete. Die zusätzlich geltend gemachten Aufwendungen für Telekabel, Haushaltsversicherung, Garage und Telefon wurden abgewiesen - sie wären vermeidbar gewesen.
Elfriede Köck ist Leiterin der Personalverrechnungskurse und Mitglied der Prüfungskommission der "Personalverrechnung" am WIFI Wien. Ein ausführlicher Beitrag erschien in der PV-Info 11/2010 des Linde Verlags.