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Sosehr sich Westminster gegen einen No-Deal-Brexit sträubt: Er wird kommen, wenn sich keine Mehrheit für eine Alternative findet.
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Theresa May ist es gewohnt. Die britische Premierministerin ist geübt im Umgang mit Niederlagen – und die Ablehnung ihres Brexit-Abkommens im Parlament ist lediglich die letzte in einer langen Reihe von "devastating defeats", wie die Briten das nennen.
Eine Geschichte des Versagens ist auch die Geschichte des Brexit an sich. Um seine Position innerhalb der Tories zu stärken, malte der damalige Premier David Cameron den Teufel an die Wand – und prompt war er da. In gewisser Weise trat May in die Fußstapfen ihres Vorgängers. Während Cameron als Brexit-Initiator nicht an einen EU-Austritt glauben wollte, wird May als ehemalige Brexit-Gegnerin nun womöglich dafür sorgen, dass der härteste aller denkbaren Brüche mit der EU vollzogen wird.
Dabei wollen das die wenigsten. Im britischen Parlament, das in allen anderen Fragen heillos zerstritten ist, gibt es für eine einzige Sache eine Mehrheit: Es soll keinen ungeordneten Brexit ohne Abkommen mit der EU geben. Doch das reicht nicht. Um das Worst-Case-Szenario abzuwenden, braucht es eine Alternative. Kommt es zu keiner Einigung für eine bestimmte Brexit-Variante, dann schlittert das Vereinigte Königreich am
29. März ohne Abkommen aus der EU – ob die Abgeordneten das nun wollen oder nicht.
Eine letzte Chance gibt es jetzt noch, einen No-Deal-Brexit zu verhindern: London muss versuchen, den EU-Austritt zu verschieben. Doch das, so versichert May immer wieder, ist ausgeschlossen. Die Tory-Chefin hat wohl etwas ganz anderes im Sinn: Sie will die Abgeordneten so lange abstimmen lassen, bis sie ja sagen. Am Ende, wenn der 29. März naht, wird es nur eine Wahl geben: entweder ihren Deal oder gar keinen.
Wohlwollend könnte man meinen: Die Konservative ist standhaft geblieben. Oder war es doch ein Fehler, das Parlament so lange aus dem Brexit-Prozess auszuschließen? Wer keinen Zentimeter nachgibt, wer innenpolitische Streitigkeiten über das große Ganze stellt, der hat auch keinen Blick dafür, dass es manchmal bessere Lösungen gibt als die eigenen. Vielleicht könnten die Abgeordneten einen fraktionsübergreifenden Konsens finden: ein zweites Referendum, den Verbleib in der Zollunion oder ein Modell nach dem Vorbild Norwegens. Doch May will das alles nicht hören.
Der EU-Austritt ist die folgenschwerste Entscheidung Großbritanniens seit dem Eintritt in den Zweiten Weltkrieg. May wird in die Geschichtsbücher eingehen als Premierministerin, die den Brexit vollzogen hat. Noch hat sie ein wenig Zeit zu entscheiden, was dort genau über sie geschrieben stehen wird.