Österreichs Staats-Schulden gehören nicht retuschiert, sondern halbiert. Was Schweden, Schweizer und Tschechen schaffen, sollte uns auch gelingen.
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Wie viele Schulden kann ein Staat eigentlich machen, bevor es so wirklich ungemütlich wird?
Eine mathematisch präzise Antwort auf diese Frage gibt es nicht, sehr wohl aber ein paar vernünftige Annäherungen. So haben etwa die US-Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart in ihrer mittlerweile berühmt gewordenen Studie "Dieses Mal ist alles anders" festgestellt, dass ab einer Verschuldungsquote von 90 Prozent (zur Wirtschaftsleistung einer Nation) das Wachstum eines Landes gehemmt ist. Auch die noch etwas konservativer anmutende, regelmäßig überschrittene Höchstgrenze für die Euro-Staaten von 60 Prozent gibt einen ganz guten Hinweis darauf, wo die rote Zone beginnt. Dass viele Staaten lange Zeit mit noch niedrigeren Pegelständen gut fuhren, passt in dieses Bild.
Doch egal, für welches Maß man sich entscheidet: Die derzeit rund 80 Prozent Schuldenstand im Europa-Durchschnitt sind auf lange Sicht eindeutig grenzwertig; auch der etwas niedrigere österreichische Wert ist alles andere als Grund zum Champagnisieren.
Vor diesem Hintergrund ist betrüblich, dass die Ambitionen der Regierung, den Staatshaushalt aus der pekuniären Gefahrenzone zu manövrieren, überschaubar sind. Wenn die neue Finanzministerin eine große Staatsreform für entbehrlich erklärt, deutet das nicht eben auf das nötige Problembewusstsein hin. Wirklich wünschenswert - und letztlich notwendig - wäre nämlich nicht eine zögerliche Kleinreparatur an einem insgesamt viel zu großen Defizit, sondern eine Generalsanierung von Grund auf.
Ein gutes Vorbild könnte, so wie in vielen anderen Bereichen auch, Schweden abgeben: Dort liegt (wie etwa auch in der Schweiz oder Tschechien) der Schuldenanteil bei rund 40 Prozent des Bruttosozialprodukts, also fast der Hälfte des österreichischen Wertes. Defizite dieser Größenordnung haben viele Vorteile: starke Reduktion der Zinszahlungen, Stärkung der Bonität, Spielraum für unvorhersehbare Ereignisse.
Es wäre ein der "großen Koalition" angemessenes großes Projekt, einen Masterplan zu entwickeln, wie Österreich innerhalb angemessener Frist seine Schulden auf das Niveau der Schweizer, Schweden oder Tschechen reduzieren könnte: das "Projekt 40". Klar ist es sauschwer. Aber was die anderen kleineren europäischen Staaten geschafft haben, sollte auch in Österreich möglich sein, warum denn auch nicht?
Natürlich würde ein derartiges "Projekt 40" vorübergehend erhebliche Belastungen mit sich bringen; wenn es klug umgesetzt würde, höchst gleichmäßig über alle Interessengruppen verteilt, wobei vernünftigerweise jene mehr zu tragen hätten, deren angeblich wohlerworbene Rechte bisher quer zum Begriff der Gerechtigkeit standen und stehen.
Eine derartige Grundsanierung der Staatsfinanzen wäre natürlich mit hohen politischen Risken behaftet; über zusätzliche Lasten freut sich ja in der Regel niemand wirklich. Man soll aber in der Demokratie auch nicht ausschließen, dass die Mehrheit ein derartiges Großprojekt letztlich doch unterstützt, wenn hinreichend klargemacht wird, dass dies für die Absicherung der Zukunft des Landes notwendig ist. So dumm ist der Wähler nicht.