Die föderale Verfassung Österreichs wirkt plötzlich wie eine Druckwelle, die die Arbeits- und Zahlungsfähigkeit der Republik lähmt. Darunter würde freilich jedes Bundesland leiden.
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Der Streit von Bundesinnenministerin Maria Fekter und dem in Wahlkampfzwängen steckenden burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl um den Standort eines Flüchtlingslagers ist nur ein - und sicher nicht der allerwichtigste - Teil einer seit langem anhaltenden Kraftprobe zwischen Bund und Ländern. Die Beziehungen lassen sich nicht mehr auf das Salongespräch des Finanzausgleichs reduzieren, sie haben sich zum Fingerhakeln und von da zum Nahkampf gesteigert.
Der bisherige Höhepunkt des Kräftemessens und auch der Schurkerei ist die Art, wie die Kärntner Landesregierungen eine Systembank zuerst zugrunde richteten und sich danach mit Milliardenhilfe aller Steuerzahler ins Trockene retteten.
Im Artikel zwei der Bundesverfassung steht zwar, dass Österreich ein Bundesstaat ist, nicht aber, dass Gaunerei zur Geschäftsordnung gehört. Die jungen Wähler zwischen 16 und 27 Jahren, die den einstigen Kanzler Bruno Kreisky nie erlebt haben, sind in eine Zeit hineingewachsen, in der die Kärntner Ortstafelfrage so wie zu Kreiskys Zeiten noch immer ungelöst ist.
Man könnte von diesen jungen europäischen Bürgern zwar erwarten, dass sie im Gegensatz zu vielen Älteren aufgeschlossen genug sind, die Symbiose mit einer ethnischen Minderheit befruchtend zu finden. Aber leider - die Wirklichkeit ist nicht immer so - nicht für die Kärntner Slowenen und auch nicht für Asylwerber, für die eine räumliche Lageverbesserung dringend nötig ist.
Fekter und Niessl werden einander somit noch einige Tage oder vielleicht auch Wochen wie Zinnsoldaten starr gegenüberstehen. Dass es überhaupt so weit gekommen ist, hat primär damit zu tun, dass im Ernstfall immer eine Hälfte der Regierungskoalition in die Knie geht und damit einen Erfolg im Sinne des Ganzen verhindert.
Das Schauspiel ist deshalb so beunruhigend, weil dahinter auch die Verwaltungsreform blockiert wird. Wie schön, dass Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner die Jugendschutzbestimmungen vereinheitlichen will und dafür vielleicht sogar die Zustimmung der Länder bekommen wird. Aber bitte schön: Das kostet zwar wenig, bringt aber vor allem kein Geld. Es hat nichts mit dem zu tun, was der Leiter des Staatsschuldenausschusses, der Präsident der Wirtschaftskammer und die Wirtschaftsforschungsinstitute Monat für Monat gebetsmühlenartig vortragen: Die Republik benötigt eine neue Finanzgrundlage. Rechnungshofpräsident Josef Moser hat soeben wieder gedrängt, im Februar Entscheidungen zu fällen, und die Adressaten seiner Mahnung aufgezählt: Kanzler, Vizekanzler, Länder und Gemeinden.
Die Republik steht im Wettlauf mit der Zeit, bloß ihre führenden Köpfe scheinen davon nichts zu bemerken. Da der Schuldenberg des Staates nachweislich in Höhen von 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts explodieren wird, im Jahr 2010 aber die Steuereinnahmen angesichts der Wirtschaftslage bedrohlich sinken könnten, handelt es sich nicht um Schönheitsoperationen, sondern um Schicksalsfragen.
Auch manchen Länderchefs scheint das allmählich zu dämmern. So ist etwa die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller der richtigen Meinung, dass man nicht immer "Föderalismus" vorschieben soll, wenn man Verhinderung meint. Die Frage ist, ob die zwei führenden Politiker, Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll, in der Frage der Verwaltungsreform zu einer gemeinsamen Sprache finden.
Sie wird eine harte sein müssen, sonst passiert nichts. Wozu sonst haben wir eine große Koalition?