Die Steuerreformkommission startet am Montag. | Botschaft an die Regierung: 4 Milliarden nötig. | "Wiener Zeitung":Die Regierung plant eine Steuerreform für 2010. Zur Finanzierung des Gesundheitssystems soll eine Vermögenszuwachssteuer kommen. Ist diese neue Steuer notwendig? | Ferdinand Lacina: Bei allen Bemühungen einzusparen - in der Gesundheit oder der Verwaltung - liegt eines auf der Hand: Die Leute werden älter und bleiben auch länger gesund, trotzdem müssen wir rechnen, dass sowohl für das Gesundheitssystem als auch für die Pflege zusätzliche Mittel notwendig sein werden. Und zwar nicht nur für die nächsten Jahre. Und zweitens ist zu sagen, dass in Österreich Arbeit besonders hoch besteuert ist.
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Wir haben seit etwa 20 Jahren die Besteuerung von Zinserträgen - Stichwort Sparbuchsteuer. Ich halte es nicht für ungerecht, wenn eine Besteuerung der Zinserträge nicht nur für Sparbücher und Dividenden gilt. Bei Aktien gibt es zwei Arten von Erträgen: Die eine ist die Dividende, der Rest wird in den Unternehmen thesauriert. Das heißt, der Rest des Ertrages spiegelt sich im Aktienkurs. Daher halte ich es für absolut vernünftig, dass man da etwas tut. Das gilt nicht nur für Finanzanlagen, sondern für besonders knappe Güter wie Grund und Boden, also Immobilien insgesamt. Ich glaube, dass diese Einigung der Parteien recht vernünftig war. Man kann ja auch nicht sagen, dass die Befürworter in der ÖVP - wie Claus Raidl oder Johannes Ditz - die reinen Bolschewiken sind.
Bernhard Felderer: Wir haben in den letzten 20 Jahren versäumt, die Besteuerung von Grund und Boden anzupassen. Wenn davon gesprochen wird, dass andere Länder höhere Vermögensbesteuerung haben, dann ist der Unterschied fast ausschließlich die Bodenbesteuerung. Ich glaube, dass es besser wäre, anstatt der Vermögenszuwachssteuer - ich kann ja noch nicht glauben, dass sie wirklich kommt - die Besteuerung von Grund und Boden anzuheben, falls es nötig wäre. Es gibt noch genügend Sparpotenzial - etwa bei den Ländern, dort ist noch nicht der nötige Sparwille eingetreten.
Die Zweckbindung der Kapitalzuwachssteuer für die Gesundheit ist wenig sinnvoll, denn diese wird nicht 300 Millionen, wie geschätzt, sondern nicht mehr als 100 Millionen Euro bringen. Dieser Betrag ist im Vergleich zu den Gesundheitsausgaben von 26 Milliarden Euro - 2010 werden es fast 30 Milliarden sein - ein Tropfen auf den heißen Stein. Das kann zur Sanierung eines Systems, das offenbar nicht reformierbar war, nicht ausreichen.
Warum glaube ich, dass man aus der Vermögenssteuer nur 100 Millionen lukrieren kann? Die Zahl von 300 Millionen wurde brutto geschätzt, also inklusive Inflations- und Realentwicklung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Verfassungsgerichtshof erlauben wird, dass die Substanz besteuert wird. Wenn aber nur der Zugewinn besteuert wird, dann haben wir rund die Hälfte. Dazu kommt, dass es alle möglichen Ausnahmen geben soll, bleiben also nicht einmal 100 Millionen übrig. Wollen wir dafür wirklich in Kauf nehmen, dass die ganze Welt erfährt, dass wir Kapital jetzt wieder anders behandeln als noch unter Finanzminister Lacina, wo alle wussten, es gibt 25 Prozent auf Gewinn, aber keine Substanzbesteuerung?
Es heißt seit Jahren, dass es im Gesundheitssystem genügend Geld gäbe, man müsse es nur heben. Aber immer, wenn es darum geht, dieses Potenzial tatsächlich zu heben, wehren sich die Betroffenen. Woher soll das Geld kommen, wenn nicht aus einer neuen Steuer?Felderer: Sie setzen schon voraus, dass die Reform keinen Erfolg haben wird. Wer, wenn nicht eine große Koalition könnte da etwas ändern? Die ist uns bisher etwas schuldig geblieben.
Lacina: Das Wort Reform verwenden wir seit vielen Jahren. Es ist einfach unvorstellbar, dass mehrere Milliarden aus dem Gesundheitssystem herausgenommen werden können angesichts der Belastungen, die auf uns zukommen werden. Ich denke da an die Pflege. Es war einmal angedacht, das Pflegegeld jährlich zu erhöhen, das ist nicht passiert. Jetzt wird es eine entsprechende Valorisierung geben müssen, es wird auch eine Ausweitung des Bezieherkreises geben müssen - das kostet alles Geld.
Was ich nicht verstehe, ist die Substanzbesteuerung, die Sie angesprochen haben. Wenn ich Aktien verkaufe . . .
Felderer: Inflation . . .
Lacina: Und wie ist das bei Arbeitseinkommen? Ich habe überall die Inflation. Da müsste der Verfassungsgerichtshof schon vor vielen Jahren die kalte Progression verboten haben. Wir haben überall eine Ausweitung der Nominalbeträge. Das gilt für alles. Das würde auch für eine Grundsteuer gelten. Eine Grundsteuer, die Sie vorschlagen, wäre wirklich eine Substanzbesteuerung. Ich habe gar nichts gegen eine Grundsteuer, wenn sie einigermaßen sozial ist. Das Problem war bisher, dass gerade jenen der Mut gefehlt hat, ja dazu zu sagen, die die größten Profiteure wären, nämlich die Gemeinden. Es fürchten sich die falschen Leute.
Ich bin aber nicht Ihrer Auffassung, dass wir keine Gegenfinanzierung brauchen. Ich glaube auch nicht, dass wir mit einem Gesamtvolumen von 2,7 Milliarden Euro für die Steuerreform auskommen werden.
Felderer: Ich halte das auch für zu wenig.
Lacina: Da sind wir uns einig. Das heißt aber, wir brauchen eine Gegenfinanzierung. Und diese kann auch so ausschauen, dass wir Steuerlücken schließen. Ich sehe nicht ein, warum wir die Stock-Options steuerlich begünstigen. Das wurde unter Grasser eingeführt und es war ein krasser Fehler.
Wir brauchen andere Maßnahmen bis hinein in die Sozialversicherung - etwa eine Anhebung der Höchstbemessungsgrundlage. Diskussionswürdig wäre auch, die Begünstigung beim 13. und 14. Monatsgehalt nur bis zu einer gewissen Grenze zu gewähren. Da gibt es jede Menge Möglichkeiten. Man wird sehen, wie weit wir mit dem Koalitionspartner kommen.
Felderer: Ich glaube nach wie vor, dass wir keine Gegenfinanzierung brauchen. Aus folgendem Grund: Steuerreformen finanzieren sich zu einem gewissen Teil selbst. Untersuchungen dazu gehen von 25 bis 60 Prozent aus. Wenn wir also von einem Volumen von 4 Milliarden ausgehen, finanziert sich das über einen Zeitraum von sechs Jahren zu einem großen Teil selbst. Der andere Teil muss eingespart werden. Aber ich bin gegen eine neue Steuer, Sie müssen bedenken, welche Steuerausweichmanöver jetzt schon gemacht werden. Wenn wir mutiger wären, könnten wir mehr Geld in die Hand nehmen, das sich fast selbst finanziert. Eine große Reform ist für 2,7 Milliarden nicht zu haben.
Lacina: Da sind wir einer Meinung. Wir haben derzeit einen Eingangssteuersatz von 38 Prozent. Das heißt jeder, der mehr als 1100 Euro im Monat verdient, muss damit rechnen, dass jede Lohnerhöhung - wenn man die Sozialversicherung dazu nimmt - zu mehr als 50 Prozent weggesteuert wird. Das führt dazu, dass wir tatsächlich heute eine höhere Belastung - nicht nur prozentuell, sondern in Euro - von mittleren als von höheren Einkommen haben. Das ergibt sich daraus, dass Sozialversicherungsabgaben die Steuerlast mindern.
Dass sich Steuerreformen bis zu einem gewissen Grad selbst finanzieren - ich hatte ja selbst zwei zu verantworten - stimmt, aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass der Finanzminister auch im nächsten und übernächsten Jahr ein Budget darstellen muss. Selbst wenn es gelingen sollte, kurzfristig Gesundheits- und Verwaltungsreform durchzusetzen - woran ich zweifle -, hat er die Effekte davon frühestens in sechs Jahren. Davor gibt es eine längere Durststrecke.
Ich teile auch Ihren Optimismus nicht, dass niedrigere Steuersätze und ein einfacheres System die Menschen davon abhalten, eine Steueroase aufzusuchen. Wir haben wirklich mit den Stiftungen ein sehr attraktives Modell auch für große Vermögen geschaffen, dennoch flüchten überdurchschnittlich viele Österreich in die Nachbarschaft im Westen. Ich sehe nicht, dass eine Steuer auf Aktienerträge zu einer zusätzlichen Kapitalflucht führt. Insgesamt sind wir nach wie vor ein außerordentlich attraktives Land.
Es gibt in der EU 12 Staaten, die auf Aktiengewinne eine Flat tax erheben, warum sollte das in Österreich zu einer Kapitalflucht führen?Felderer: Wir sind ein Land mit einer sehr hohen Steuerquote. Warum müssen wir das immer weiter treiben? Auch wenn ich nicht glaube, dass es zu einer Kapitalflucht kommt. Wir haben durch das Stiftungsrecht enormen Kapitalzustrom gehabt. Sollen wir das wieder los werden?
Lacina: Ich habe nie gesagt, dass wir die Steuerquote erhöhen sollen.
Felderer: Das tun wir aber gerade.
Lacina: Das tun wir nicht. Ich habe gesagt, wir brauchen eine Entlastung des Faktors Arbeit. Aber niedrige Steuerquote und ökonomische Effizienz bedingen einander nicht automatisch . . .
Felderer: Daran zweifeln Sie auch?
Fortsetzung: Reform mit Finanzierung oder nicht?