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Eine gute Gelegenheit

Von Engelbert Washietl

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Falls Österreich die Wehrpflicht abschafft, sollte es mit seinen Soldaten erst recht internationales Ansehen erringen


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Große Vorhaben entsprießen in Österreich oft aus kruden Wurzeln. Dass die "Kronen Zeitung" bereits am 11. Juli dieses Jahres mit dem Titel "Volksbegehren gegen Wehrpflicht" einen für sie typischen Riecher für den Stimmungswandel zeigte, kann ja nicht alles sein, was über die Reform des Bundesheeres zu sagen ist. Und dass ein Wiener Bürgermeister in der letzten Tagen vor der Gemeinderatswahl und offenbar auch in letzter Not die Wehrpflicht zur öffentlichen Debatte freigibt, auch nicht.

Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr, was freilich noch nicht heißt, dass das Bundesheer aufgelöst wird. Wie der Nationalfeiertag erneut bewies, ist das Instrument der Landesverteidigung im Grunde sehr populär. Wenn das Bundesheer zum "Großen Zapfenstreich" ruft, noch dazu am Wiener Heldenplatz, dann sammelt sich begeistert und voll Patriotismus das Volk. In Deutschland hat es schon mehr als nur einen Großen Zapfenstreich gegeben, der nur hinter mehrreihigen behelmten Polizei-Einsatzkräften durchgeführt werden konnte, während außerhalb dieses Ringes eine wilde Meute von Staatsgegnern tobte.

Was tun mit dem Bundesheer? Die Politiker wissen das schon seit Jahren nicht, sonst hätten sie es nicht finanziell ausgehungert, aber auch nicht sündteure Abfangjäger angeschafft, deren praktischen Wert noch niemand überzeugend erklärt hat.

Somit ist es zumindest nicht falsch, wenn die beiden Koalitionsparteien erst einmal das tun, was sie seit Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten tun hätten sollen: nachdenken. Erstens über die mit der Definition der österreichischen Lage zusammenhängende "Sicherheitsdoktrin", zweitens über die aus definierten Zielsetzungen abzuleitende Reform des Bundesheeres und drittens über das vorhandene Geld. Auf diese drei Fragen sollte man sich beschränken, statt von vornherein an den typisch österreichischen Nebenfronten den Mut zu verlieren. Solche gibt es nämlich. Der Zivildienst hat längst mehr mit dem Budget für Pflegedienste denn mit militärischen Aufgaben zu tun. Und manche Kaserne wurde bloß deshalb noch nicht zugesperrt, weil sie ein bedeutender Arbeitgeber in einer vom Wirtschaftswunder links liegen gelassenen Region ist. Offene Fragen dieser Art müssen nicht militärisch beantwortet werden.

Wesentlich ist, dass der Sicherheits- und Verteidigungsgedanke nicht unter die Räder kommt. Auch in Friedenszeiten müssen Soldaten mehr sein als Lawinen- und Hochwasser-Wächter. Österreich profitiert vom europäischen Verteidigungssystem, aber es wird diesen Schutz nicht wie eine Sicherheit auf Rädern und noch dazu gratis bestellen können, wenn es einmal brenzlig wird.

Was kann Österreich tun? Seine Leistungen bei internationalen Friedenseinsätzen ausbauen, erst recht, wenn es einst ein Berufsheer geben sollte. Sowohl Bundeskanzler Faymann als auch Vizekanzler Pröll wissen das. "Das österreichische Bundesheer kann sich heute mit Fug und Recht als international tätige Friedenstruppe sehen", sagte Faymann. Österreich hat lange und reiche Erfahrung damit. Internationale Friedenseinsätze sind im Interesse Europas, weil sie Spannungen mindern helfen. Eine derartige Leistung stünde diesem Land in Zukunft besonders gut an, weil es doch soeben das Staatsdefizit durch Kürzung der Entwicklungshilfe verringert.

Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse und Salzburger Nachrichten.