Der Wirtschaftsstandort gehört zu den besten weltweit. Doch der langfristige Trend ist negativ - und das kann fatale Folgen haben.
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Die mediale Debatte zum Standort Österreich hat unterschiedliche Facetten, macht aber zwei Dinge sehr deutlich. Erstens die gute Nachricht: Unser Standort gehört dank Unternehmern und Arbeitskräften zu den weltweit besten.
Zweitens die schlechte Nachricht: Der langfristige Trend ist negativ, und aus der Erfahrung des Wirtschaftsberaters ist ein schleichender Abwärtstrend viel gefährlicher als ein einzelnes Ereignis, das zu einer klar erkennbaren Krise führt.
Es geht nicht darum, den Standort Österreich schlechtzumachen, Mutlosigkeit und Krisenszenarien bringen niemanden weiter. Österreich hat viel erreicht, aber damit dies auch in Zukunft so bleibt, sind eine klare Diagnose und ein politischer Schulterschluss aller Beteiligten nötig, um die notwendige Strukturreform umzusetzen.
Während Österreich mit höchster Lebensqualität und guter Infrastruktur punktet, herrscht in anderen Bereichen dringender Handlungsbedarf. Das IMD World Competitiveness Ranking 2014 zeigt, dass die effektive Steuerbelastung in keinem anderen industrialisierten Land schlechter bewertet wird als in Österreich. Die leichte Verbesserung im Ranking um einen Platz auf Rang 22 darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass unser Standort trotz großen Potenzials nur im Mittelfeld der 60 untersuchten Länder liegt.
Drei wesentliche Ansatzpunkte, um das Zukunftspotenzial nicht zu verspielen und notwendige Einschnitte nicht unnötig in die Zukunft zu verschieben, sind:
Einfachheit: Das Steuersystem ist neu zu schreiben. Wir haben alle Bausteine für ein Top-System, aber durch Sonderbestimmungen und Novellierungen hemmt der Administrationsaufwand Politik und Wirtschaft. Die Unsicherheit über die steuerlichen Auswirkungen unternehmerischen Handelns ist zu hoch.
Offenheit/Flexibilität am Arbeitsmarkt ebenso in der Bildung und im Umgang mit Talenten und Berufsbildern: Ausbildung, Karriere und Lebensentwürfe funktionieren heute nicht mehr linear. Trotz eines guten Beschäftigungsklimas gibt es Verbesserungsbedarf beim Umgang mit Immigration, den jüngsten sowie ältesten Generationen im Erwerbsprozess, der Frauenerwerbstätigkeit und der stark ideologisierten Bildungsdebatte. Die Wirtschaft übernimmt immer mehr Aufgaben; die Politik muss aber den Rahmen schaffen und ihn rascher der geänderten Realität anpassen.
Investitions- und Innovationsklima: Risikobereitschaft und (private) Investments sind Grundlage wirtschaftlichen Erfolgs. Österreich darf für privates Kapital nicht gänzlich unattraktiv gemacht werden. Im internationalen Standortwettbewerb muss es Anreize geben, damit Unternehmen und private Kapitalgeber ins Land kommen, hier gehalten werden und damit Wohlstand und Beschäftigung schaffen.
Beim Thema Wirtschaftsstandort geht es darum, der österreichischen Bundesregierung Mut für Reformen zuzusprechen. Europäische Vorbilder zeigen: Nachhaltige Reformen waren immer große Strukturreformen.
Der deutsche Bundespräsident a.D. Roman Herzog hat in seiner Berliner Rede 1997 zu seinen Landsleuten gesagt, dass ein Ruck durch das Land gehen muss. Es scheint ganz so, als ob heute ein Ruck durch Österreich gehen muss.