Die EU ist sich einig, dass für ukrainische Flüchtlinge kein Asylverfahren notwendig ist.
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Palanca ist ein Dorf, ganz im Osten der Republik Moldau, dem ärmsten Land Europas. Für Tausende ist Palanca aktuell zu einem Sehnsuchtsort geworden. Es bedeutet Sicherheit. Die ukrainische Küstenstadt Odessa ist so nahe, dass man in Palanca die Explosionen hörte und riesige Rauchsäulen sah. Von dem Grenzposten in Palanca warten Hunderte auf die Einreise, eine ewige Autoschlange, Geflüchtete berichteten von einer neunstündigen Wartezeit.
Von Palanca und anderen Grenzübergängen geht es für die meisten weiter in die Hauptstadt Chisinau. Die Hotels dort sind voll mit Ukrainern, fast ausschließlich sind es Frauen, Kinder und sehr alte Menschen. Männer werden an der Grenze zurückgeschickt. Meistens. Auffallend ist, dass in Chisinau auch etliche Luxusautos mit ukrainischen Kennzeichen zu sehen sind. Es ist anzunehmen, dass auch bei diesem Krieg Vermögen bei der Flucht privilegiert.
Etwa 30.000 Ukrainer sollen sich bereits in Moldau in Sicherheit gebracht haben, das arme Land empfängt die Geflüchteten mit einer Welle der Hilfsbereitschaft. Viele werden im Zentrum erstversorgt, vor allem junge Menschen bringen Lebensmittel und andere Alltagsgüter zur Versorgung. Manche fahren weiter, viele aber bleiben auch hier in der Hoffnung, dass der Albtraum bald vorbei ist und sie wieder in die Ukraine zurückkehren können.
Furcht vor Übergreifen des Konflikts
Die russische Invasion hat in der Republik Moldau auch andere Gefühle ausgelöst. Der eingefrorene Konflikt um das de facto eigenständige und von Russland unterstützte Transnistrien im Osten des Landes befeuert die Angst, dass der Konflikt auf Moldau übergreifen könnte.
Die Ukraine mit ihren rund 44 Millionen Einwohnern grenzt im Westen auch an Rumänien, der Slowakei, Ungarn und Polen. Mehr als eine halbe Million Menschen sind laut dem UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, bereits in eines dieser Länder geflohen. Dazu kommen noch Hunderttausende, die innerhalb der Ukraine vertrieben wurden und sich in westlichen Landesteilen in Sicherheit brachten. Eine genaue Schätzung der Binnenflüchtlinge sei derzeit nicht möglich, sagt die UNO.
Der Großteil hat sich nach Polen aufgemacht, bisher rund 300.000. Und auch hier sind es vorrangig Frauen und Kinder. Da Männer aufgrund der Mobilmachung an der Ausreise gehindert werden, zögern aber viele noch, gerade im Westen des Landes, wo es noch ruhig ist. Dazu kommt, dass die Züge meist überfüllt sind. Auch die Warteschlangen an den Grenzen vor der Einreise schrecken viele noch ab.
Schon seit Jahren gibt es für Ukrainer keine Visabeschränkung mehr bei der Einreise in die EU. Am Sonntag hat Österreich beschlossen, die 90-Tages-Frist aufzuheben. So lange durften sich Ukrainer bisher ohne Visum im Land aufhalten. Auch Personen mit Visum (meist zwischen sechs bis zwölf Monaten) dürfen nach dem Ablaufen im Land bleiben, wobei es keine formale Aufhebung gibt, sehr wohl wird keine Ausreiseverpflichtung erlassen.
Ungarn und Polen nehmen Flüchtlinge auf
Bis zum Donnerstag sollte sich klären, wie innerhalb der EU mit Flüchtlingen aus der Ukraine umgegangen wird. In der Nacht auf Montag beschlossen die EU-Innenminister, dass sie bis zu drei Jahren Schutz erhalten, eine entsprechende Richtlinie werde von der EU-Kommission bis Donnerstag vorbereitet, sagte Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in der "ZiB 2". Das Ziel: In allen EU-Mitgliedstaaten soll das gleiche, unbürokratische Verfahren zur Aufnahme geschaffen werden, alle EU-Staaten seien auch zur Aufnahme bereit, erklärte Karner. Er sieht Österreich nicht als primäres Zielland. Die größten ukrainischen Gemeinschaften in der EU leben in Polen und Tschechien, in Österreich ist die Gemeinschaft mit offiziell rund 12.600 ukrainischen Staatsbürgern vergleichsweise klein.
Nach Rumänien haben sich bisher etwa 70.000 Personen geflüchtet, wobei die meisten laut den Behörden weitergereist sind. Auch in der Slowakei geht man davon aus, dass der Großteil nicht in der Slowakei verbleiben wird. Das Land hat Frontex gebeten, an der Grenze zu helfen.
Der Beschluss der EU-Innenminister ist auch insofern beachtenswert, da auch Ungarn und Polen mitgezogen sind. Beide Länder hatten sich bisher bei der Aufnahme von Flüchtlingen überaus restriktiv gezeigt und so gut wie keine Asylwerber aufgenommen.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte am Wochenende im Staatsfernsehen, dass "jedem Ukrainer geholfen werden" müsse, sie würden von "Freunden in Ungarn willkommen geheißen" werden.
Polen sieht sich mit der aktuell größten Herausforderung konfrontiert, zumal kaum staatliche Strukturen für die Versorgung von Geflüchteten vorhanden sind und nun notdürftig geschaffen werden. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist dafür groß.