"Hannelore Kraft ist eine begnadete Wahlkämpferin."
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"Wiener Zeitung": Herr Langguth, ist die Bundes-CDU an der verlorenen Wahl in Nordrhein-Westfalen wirklich so unschuldig?Gerd Langguth: Ich lebe ja in Nordrhein-Westfalen und halte das für eine hausgemachte Pleite der CDU in NRW, bedingt durch Norbert Röttgen, den Spitzenkandidaten. Er hat den Fehler gemacht, dass er nicht mit Haut und Haaren Kandidat für Nordrhein-Westfalen sein wollte. Stattdessen hat er eine Rückfahrkarte nach Berlin in Anspruch genommen. In der Bundes-CDU sehe ich keine wirkliche Mitschuld. Angela Merkel wollte ja auch, dass Röttgen notfalls Oppositionsführer wird. Außerdem ist Hannelore Kraft eine begnadete Wahlkämpferin.
Schon mahnt aber etwa der hessische CDU-Fraktionschef die Parteichefin Merkel zu mehr Profil.
Es wird von ihr immer gefordert werden, dass sie sich um mehr Profil bemüht. Das ginge aber zulasten ihrer Integrationsfähigkeit. Im Endeffekt hat sie von Helmut Kohl gelernt, dass man sich in politischen Fragen nicht allzu sehr festlegen soll. Kohl hatte aber immer auf Flügelpersonen gesetzt. Die heutige Merkel-CDU verfügt dagegen nicht über solch echte Flügelpersonen.
Wie schafft es Angela Merkel immer wieder, dass Verluste und Kritik an ihr abperlen?
Das hängt mit ihrem ausgesprochen positiven Image zusammen. Sie hat auch keine innerparteilichen Gegner mehr, die sie fordern. Merkel ist in einer komfortablen Situation. Selbst den schlechten Wahlausgang in Baden-Württemberg hat sie unbeschadet überstanden, einem "Stammland" der CDU.
Heute empfängt die deutsche Kanzlerin den französischen Präsidenten, einen Sozialisten. Gleichzeitig tritt die SPD-Führungsspitze in einer Pressekonferenz mit dem Titel "Der Weg aus der Krise" auf. Sind die guten Zeiten für Merkel bald vorbei? Haben die Wahlen in Nordrhein-Westfalen nicht auch stets Trends für den Bund gesetzt?
Die Pressekonferenz ist ein symbolischer Akt. Peer Steinbrück ist zwar in der Bevölkerung beliebt, nicht aber in der SPD. Der Vorsitzende Sigmar Gabriel ist zwar ein guter Redner, aber auch unbeliebt. Und der Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat schon einmal eine Bundestagswahl krachend verloren. Zudem hat Rot-Grün auf Bundesebene derzeit bestenfalls 40 bis 42 Prozent. Das heißt, man würde keine Mehrheit bekommen. Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer großen Koalition kommt. Es sei denn, die FDP rappelt sich wieder auf. Die größte Gefahr, die ich derzeit für Merkel sehe, ist eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP.
Das heißt, die Freidemokraten müssten einen sozialliberalen Ansatz hervorstreichen?
Die FDP will natürlich überleben. Ich halte so ein Szenario für denkbar. Derzeit ist die FDP für die Grünen die unbeliebteste Partei. Aber ganz sicher kann man nie sein. Es hängt schließlich vom Wahlergebnis ab. Unter welcher Führung im kommenden Jahr die FDP sein wird, kann man nicht sagen - es kann durchaus noch Philipp Rösler sein.
Wäre es für die SPD nicht am besten, Hannelore Kraft als Herausforderin von Kanzlerin Merkel zu nominieren?
Das wäre in der Tat ein exzellenter Schachzug. Kraft hat aber schon unter großer Überzeugung am Wahlabend abgelehnt, als Kanzlerkandidatin zur Verfügung zu stehen. Johannes Rau, der ja zehn Jahre lang Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen war, war hier ähnlich beliebt wie Kraft es jetzt ist. Doch als Kanzlerkandidat gegen Helmut Kohl war er 1987 völlig eingebrochen. Ich vermute, Kraft will so einem möglichen Schicksal entgehen.
Noch kurz zur Linkspartei: Sofern Oskar Lafontaine doch noch einmal für den Parteivorsitz kandidiert - wird er das Ruder herumreißen können?
Nein, im Westen hat die Linkspartei keine Ausdehnungschancen mehr. Die Linke wird sich wieder zur ostdeutschen Regionalpartei entwickeln. Das ist dem Führungsdrama in der Linken geschuldet, aber auch den Piraten als neuer Protestpartei. Ob das mit Lafontaine mehr sein wird als politischer Budenzauber, daran habe ich meine Zweifel.
Zur Person
GerdLangguth
Der Publizist unterrichtet Politische Wissenschaft an der Universität Bonn. Er hat Bücher über Angela Merkel und Horst Köhler verfasst.