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Eine Heimat im Netz finden

Von Stefan Beig

Politik
Weltweit auf Facebook - wie etwa in einem eigens dafür eingerichteten Café in Tunis.
© © © Iason Athanasiadis/Corbis

Nationalstolz ist gerade in globalen Netzwerken ein wichtiges Thema.


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Wien. Nationale Grenzen konnte Facebook überwinden, ohne sie freilich zu sprengen. "Facebook verstärkt sogar nationale Identitäten", meint Bernadette Kneidinger vom Publizistik-Institut der Universität Wien. Sie hat das Verhalten von Facebook-Nutzern untersucht. Für viele Facebook-Nutzer sind regionale und nationale Identität sehr wichtig. Am Freitag präsentiert Kneidinger beim Ersten Sozialwissenschaftlichen Forum in Wien ihre Ergebnisse. Das Forum kreist um "Identität - Diversität - Integration".

"In Österreich gibt es einen hohen Nationalstolz", erzählt Kneidinger. Gruppen wie "I am from Austria" schaffen es auf rund 357.000 Mitglieder - eine hohe Anzahl, wenn man bedenkt, dass um die 2,6 Millionen Österreicher auf Facebook vertreten sind. Dass das nationale Bewusstsein auf Facebook sogar wachse, sei für ein globales Netzwerk nicht verwunderlich. "Viele treten Facebook bei, weil sie etwas über ihre eigene Identität preisgeben. Facebook ist das klassische Selbstdarstellungstool."
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Jung und Alt sind stolz

Bei Jung und Alt sei die österreichische Identität gleichermaßen stark ausgeprägt, die regionale, bundesländer- oder ortsspezifische Identität sei hingegen bei den Jüngeren deutlich abgeschwächter vorhanden als bei Älteren. Ebenso sei bei Jugendlichen aus Zuwandererfamilien die Österreich-Identifikation schwächer als bei autochthonen Österreichern, doch stehe auch bei ihnen Österreich an erster Stelle.

Interessanterweise leide transnationale Identität keineswegs unter nationaler Identität. Im Gegenteil: "Je stärker jemand sich mit Österreich verbunden fühlt, desto stärker sieht er sich als Europäer. Beide Identitäten verstärken sich gegenseitig." Es bestehe eben der Wunsch, sich mit seiner nationalen Identität in einem größeren Kontext zu positionieren. Spezifisch für Facebook sei, dass Meinungen "unbeschönigt" artikuliert werden, darunter sowohl ausländerfeindliche als auch ausländerfreundliche, und das trotz der relativen Öffentlichkeit, in der sich die Nutzer bewegen. Im Gegensatz zu Online-Kommentaren zu Zeitungsartikeln geschieht das nicht anonym, abgesehen von Pseudonymen.

"Die Facebook-Nutzer fühlen in ihren Gruppen trotz deren Offenheit eine relativ große Sicherheit. Sie sind unter Gleichgesinnten", meint Kneidinger. Man solle diese Debatten ernst nehmen. Denn bei Befragungen würden Kunden oft die gesellschaftlich erwünschten Antworten geben.

Extreme Gruppen, die entweder besonders ausländerfeindlich oder ganz auf Multikulturalismus ausgerichtet sind, kommen in der Regel über ein paar tausend Mitglieder nicht hinaus. Die Gruppe "Wir sind hier in Österreich - sprich Deutsch!!!!!" vereinigt 1893 Mitglieder. "Türken sollen Deutsch lernen!! Gegen Türkische Schule in Linz!!!!" kommt auf 1470 Mitglieder. Dort finden sich auch radikale Postings, wie "Ich krieg das Kotzen wie diese Türken eine verdammte Parallelgesellschaft bilden in unserem Lande. Wer sich nicht voll und ganz anpasst, sofort abschieben." Eine Gruppe, die "Gegen Türkisch als Matura-Fach in Österreich" auftritt, hat 2714 Mitglieder.

Doch andere Gruppen sind erfolgreicher. "Aus Österreich macht ihr kein rassistisches und rechtsextremes Land" hat 18.575 Mitglieder. Und "Wir leben in Österreich, du kannst jede Sprache der Welt sprechen!!!!!!" hat immerhin 8527 Mitglieder. Trotz mancher rassistischer Hetze sieht Bernadette Kneidinger auch das positive Potenzial. Teilweise würden Mitglieder konträrer Gruppen in der jeweils anderen Facebook-Gruppe posten. Dadurch könne eine neue Debattenkultur entstehen.

Der Mainstream sei "stolz auf die Heimat, neutral gegenüber Ausländern - sie sind eher kein Thema - und spricht offen über die negativen Eigenschaften Österreichs, wie zu viel Bürokratie, dass alles sehr kompliziert und unnötig traditionsbehaftet ist." Als typische österreichische Eigenheiten würden die Berge, die Sicherheit, Musik, Architektur und das Essen gelten. Die patriotische Gruppe "schafft Österreich mehr Fans als Deutschland" hat zurzeit 239.513 Mitglieder,

Ins Auge sticht freilich der Erfolg des FPÖ-Politikers Heinz-Christian Strache. Mit 105.996 Facebook-Fans hat er es im Socialmedia Ranking Österreichs auf Platz 15 geschafft. Der Facebook-Experte Philipp Ploner, der den Web-2.0-Auftritt etlicher Unternehmer gestaltet, sieht die Wurzel des Erfolgs in einer klugen Strategie. "Wir lieben Euch", sei Straches Botschaft; von polarisierenden Tönen würde er bewusst Abstand nehmen.

Der Grund: "Auf Social Media endet die Diskussion nicht." Die FPÖ will aber möglichst viele Personen erreichen. Mit einer radikalen Debatte schafft sie das nicht. "Strache schafft es vielmehr, die Leute emotional anzusprechen." 7782 Personen haben allein in der letzten Woche seine Postings geteilt oder kommentiert.