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Eine Herausforderung für in Wien lebende Afrikaner

Von Espérance-François Bulayumi

Politik

Der tragische Fall des Todes von Cheibani Wague hat die Afrikanische Community in Wien tief betroffen gemacht. Die Verständigung zwischen den Afro-Wienern und den Offiziellen ihrer neuen Heimat liegt zu ihren Ungunsten im Argen. Eine ernsthafte panafrikanische Diskussion wäre dringend nötig.


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Muss zuerst ein "armer Teufel" sterben, damit man ernsthaft in der Öffentlichkeit über die Situation der AfrikanerInnen bzw. der Afro-ÖsterreicherInnen spricht? Langsam habe ich das Gefühl, dass sich meine in Wien geborenen Kinder und ich so schnell wie möglich eine Gesundheits-Chipkarte zulegen müssen, um uns vor einer möglichen falsch verabreichten Beruhigungsspritze zu schützen. Das gilt auch für alle in Wien lebenden AfrikanerInnen. Denn eine lebensrettende Gesundheits-Chipkarte wird sicher unsere Krankengeschichte erhalten: z.B. Herzkrankheit! Marcus Omofuma und Cheibani W. sind unterschiedlich verstorben, aber sie haben einiges gemeinsam wie z.B. angebliche Herzkrankheit, die zum Tod geführt hat und keine Gesundheits-Chipkarte, die darauf hingewiesen hätte.

Vorausahnend appellierte ich bereits im Sommer 1996 beim Fall Fred Onduri (der kamerunische Regierungsbeamte wurde damals aufgrund von "Schluckbewegungen" - die vom Verzehr eines Joghurts herrührten - als mutmaßlicher Drogendealer verhaftet) an Wiener AfrikanerInnen, dass wir uns bezüglich unserer Situation in Wien - abgesehen von den vielen Alibiaktionen - ernsthaft in einer panafrikanischen Diskussion engagieren sollten: Müssen wir all das machen, was unsere "Subventionsgeber" von uns verlangen? Inzwischen sind einige von uns wegen unserer Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt "Subventionsgeier" geworden, die als verlängerter Arm für die Organisationen unzähliger Afro-Events agieren. "Afrikadorf" im Stadtpark wäre hier als ein typisches Beispiel für solche Events anzuführen, die Afrika im Zeitalter der Globalisierung sehr schaden. Angeblich soll das Dorf zu einer Begegnungsstätte mit afrikanischer Kultur werden. Das Ergebnis dieser "kulturellen" Zusammenkunft lässt sich sehen: Perversion der "Afrikanität" und Verlust eines Menschenlebens.

Einen "Kulturkontakt" in einer solchen Form zu initiieren, ist problematisch. Offensichtlich bringt dieses zur Schau gestellte Afrikadorf nichts über die "afrikanische Kultur": Der Architekt dieses Dorfes könnte hier vielleicht nur "ein Afrikadorf" darstellen. Aber auf keinen Fall "das Afrikadorf". Denn zwischen dem Maghreb und dem Kap der Guten Hoffnung gibt es verschiedene Dorfarchitekturen, die inhaltlich verschiedene Schwerpunkte aufweisen. Es ist nicht so einfach für einen Außenstehenden, Inhalte der verschiedenen traditionellen afrikanischen Dorfarchitekturen zu erfassen. Es würde sich aber lohnen, Bilder dieser Architekturen inhaltlich zu betrachten.

Die Unterstützung dieses Projekts sagt vieles über die Wahrnehmung und die Mentalität der Unterstützer aus und lässt darüber hinaus den Willen vermuten, den "Anderen" zu erniedrigen. Diese Art der Völkerverständigung, wie es derzeit durch "Afrikadorf" im Wiener Stadtpark stattfindet, ist erschreckend. Obwohl das Projekt von einem Architekten aus "Afrika" geführt wird, zeigt es viele Ähnlichkeiten mit vielen Menschenschauveranstaltungen der kolonialen Zeit in Afrika.

Zugegeben: Ich wollte nicht zu diesem "Afrikadorf" Stellung nehmen. Aber als Vater zweier Afro-Wiener, die die Last des "Afrikanerseins" in Wien tragen, spüre ich nach dem Ableben von Cheibani W. die Notwendigkeit, meinen Appell an AfrikanerInnen aus dem Jahr 1996 zu erneuern. Ich tue es durch die folgende goethische Aussage:

"Ach Gott! Die Kunst ist lang!

Und kurz ist unser Leben.

Mir wird, bei meinem kritischen Bestreben, Doch oft um Kopf und Busen bang. Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, Durch die man zu den Quellen steigt! Und eh man nur den halben Weg erreicht, Muss wohl ein armer Teufel sterben."

Espérance-François Bulayumi ist Schriftsteller und Theologe aus dem Kongo und Bildungsbeauftragter des Afro-Asiatischen Instituts in Wien