Länderkammer als Waffe der Opposition gegen die Regierung? | Experte warnt vor parteipolitischem Missbrauch. | WZ-Analyse über die Reformchancen des Bundesrats. | Wien. Im Grunde genommen hatte man sich in Österreich schon längst mit der Bedeutungslosigkeit des Bundesrates abgefunden. Und nun könnte ausgerechnet eine rot-grüne Mehrheit die stets als tief schwarz verschrieene Bastion aus ihrem politischen Dornröschenschlaf wachküssen.
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SPÖ und Grüne scheinen durchaus gewillt, ihre neue Macht im politischen Kampf gegen die Regierung auch einsetzen zu wollen. Den Anfang macht am heutigen Freitag ein Einspruch gegen das Zukunftsfondsgesetz. Bereits am Mittwoch wurden im Ausschuss acht unliebsame Gesetzesvorhaben (von insgesamt 16) auf Dezember vertagt. Vor allem dieses Hinauszögern einer Behandlung erzürnt die ÖVP, die darin den Bruch einer Vereinbarung aus dem Jahr 1984 sieht.
Tatsächlich sind die neuen Mehrheitsverhältnisse Chance und Gefahr für den Bundesrat zugleich. "Wenn die Länderkammer für parteipolitische Zwecke verwendet wird, um Gesetze zu verzögern, dann wird das für ihre Zukunft nicht förderlich sein", befürchtet der Föderalismusexperte Peter Bußjäger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Diskussion über eine Aufwertung des Bundesrats wäre damit praktisch vom Tisch.
Da die diversen Reformpläne für den Bundesrat aus dem Österreich-Konvent derzeit im dafür eingerichteten Ausschuss warm gehalten werden und ein Konsens zwischen ÖVP und SPÖ auch weiterhin nicht in Sicht ist, könnte die Handhabung dieser neuen Situation durchaus über die Zukunft der Länderkammer entscheiden. Bußjäger: "Was jetzt im Bundesrat passiert, kann durchaus zu einer interessanten neuen Situation im Hinblick auf eine Reform führen."
Denn nun zeigt sich, welche politischen Möglichkeiten tatsächlich in der zweiten Kammer des Parlaments schlummern und wie die erste, der Nationalrat, mit den zu erwartenden Einsprüchen umgeht. Wird über diese einfach per Beharrungsbeschluss "drüber gefahren" oder geht die Mehrheit im Nationalrat auf die Mehrheit im Bundesrat in konstruktiver Art ein? Für Bußjäger, der im Konvent den Vorsitz im Ausschuss für die Bundesstaatsreform innehatte, findet nun ein "realpolitischer Feldversuch" in Sachen Bundesratsreform statt.
Übertriebene Hoffnungen in die föderalistische Reife der Bundesratsabgeordneten hat aber auch Bußjäger nicht. Er rechnet auch für die nähere Zukunft mit der Dominanz parteipolitischer vor Länder-Interessen bei den Abstimmungen. Kommt es daher künftig tatsächlich zur regelmäßigen Neuauflage der Konfrontation Regierung - Opposition auch im Bundesrat dürfte dieser wohl endgültig ein Urteil über seine eigene Reformfähigkeit und Existenzberechtigung gesprochen haben.