Atomenergie und Hainburg sind "kein Thema". | Ausbau der Wasserkraft könnte Importabhängigkeit deutlich mildern. | Wien. "Wir könnten heuer zu den geplanten 500 Millionen Euro Investitionen im Inland ohne weiteres noch eine zusätzliche Milliarde Euro vorzeitig in Bewegung setzen, wenn man uns die rechtlichen Möglichkeiten für die 26 Projekte in unserer Pipeline gibt." Der neue Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber hätte ein Konjunkturpaket auf dem Schreibtisch, "das den Bund noch dazu keinen Euro kostet". Denn die Investitionen könnte Österreichs größter Stromerzeuger - verantwortlich für gut die Hälfte der heimischen Stromerzeugung mit 86 Prozent Wasserkraftanteil - problemlos aus seinem Cash Flow und über den Kapitalmarkt finanzieren - "als Schuldner bester Bonität spüren wir keine Kreditklemme".
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Aber, leider: "Wir sind beim Planen Weltmeister, bei der Realisierung aber Zwerge." Die Genehmigungsverfahren dauerten hierzulande "unerträglich lange". Er stelle die Umweltverträglichkeitsprüfung keineswegs in Frage, aber die Politiker auf allen Ebenen brauchten dringend "mehr Mut". "Trotz UVP kann man es nicht jedem Recht machen. Irgendwann muss für die politisch Handelnden der Punkt kommen, wo sie sagen: Wir machen es." Bei bundesländerübergreifenden Infrastrukturprojekten sollte die Kompetenz für die Verfahren an den Bund übergehen, schließt sich Anzengruber einem Vorschlag der Industriellenvereinigung (IV) an: "Man kann nicht von jedem Bürgermeister die gesamteuropäische strategische Perspektive verlangen."
"Verfahren dauernunerträglich lange"
Die Verfahrensdauer sollte sich den auf dem Papier vorgesehenen 15 Monaten annähern - derzeit liege man bei bis zu 50 Monaten. Im Fall der heuer fertig werdenden Hochspannungsleitung durch die Steiermark vergingen von Planungsstart bis Inbetriebnahme sogar 25 Jahre.
Auch die in Salzburg heiß umstrittene 380-Kilovolt-Leitung wäre da ein Thema, meinte Anzengruber. Ohne die Leitung will der neue Verbund-Chef kein "Go" für das Wasserkraftprojekt Limberg III geben - weil er sonst die Verteilung des dort erzeugten Stroms nicht sicherstellen könne, wie er am Mittwoch bei seinem ersten Auftritt vor Journalisten im Wiener Klub der Wirtschaftspublizisten betonte.
Laut dem sogenannten Masterplan Wasserkraft - "seit seiner Präsentation vor beinahe einem Jahr ist leider überhaupt nichts weiter gegangen" - könnten in Österreich in den nächsten sieben Jahren Projekte für die Erzeugung von 7 Terawattstunden (Billionen Watt, TWh) Strom umgesetzt werden. Das entspricht etwa 12 Prozent des derzeitigen Verbrauchs. Insgesamt steht in Österreich noch ein Potenzial an Wasserkraft von 13 TWh zur Verfügung - ohne Tabuprojekte wie Hainburg.
Der Ausbau wäre angesichts des steigenden Bedarfs - bis 2030 soll sich laut Prognosen der Energieagenturen der Strombedarf in Europa verdoppeln - und tendenziell seit 2001 steigender österreichischer Importabhängigkeit - zuletzt kamen rund 10 Prozent des Bedarfs aus dem Ausland - "höchst notwendig".
Zu Reizthemen wie der Kernenergie und einem Donaukraftwerk östlich von Wien bezog der 52-jährige frühere ABB-Manager und Vorstandschef des Salzburger Kranherstellers Palfinger eine klare Position: "Kommt beides nicht in Frage - auch die E-Wirtschaft lernt ihre Lektionen."
Zum Ausbau der "neuen erneuerbaren Energien" - Biomasse, Solar und Wind, die derzeit für elf Prozent des österreichischen Strombedarfs aufkommen - bekennt sich Anzengruber ausdrücklich, auch zu vermehrten Effizienzbemühungen - sprich: Energiesparen. Aber: "Wir können in absehbarer Zeit auf Energie aus fossilen Quellen nicht verzichten." Hinter jedem Windrad müsse schließlich eine entsprechende Reservekapazität stehen.
Der Verbund baut derzeit in Mellach ein Gaskraftwerk mit einer Leistung von 830 Megawatt (MW), das bei Vollbetrieb eine Milliarde Kubikmeter Gas - mehr als zehn Prozent des derzeitigen gesamten österreichischen Gasbedarfs - benötigen wird. Langfristige Verträge für den 2012 ans Netz gehenden größten einzelnen Gasverbraucher Österreichs seien zwar unter Dach und Fach - "aber wenn es kein Gas gibt, steht das Werk", so Anzengruber. Nachsatz: "Aber dann steht nicht nur Mellach."
Anzengruber erwartet für die Zeit der Wirtschaftskrise sinkende Strompreise. Für 2009 hat der Verbund aber schon aufgrund langfristiger Verträge rund 60 Prozent seiner Erzeugung vorab verkauft. Anzengruber bekräftigte die im Dezember von seinem Vorgänger Michael Pistauer abgegebene Gewinnprognose für 2008, die ein operatives Ergebnis (Ebit) in der Rekordhöhe von rund 1,1 Milliarden Euro beinhaltet. "Wenn der Verbund 2009 angesichts der Wirtschaftskrise die gleiche Qualität des Ergebnisses 2008 erreicht, ist das ein Erfolg."