Staatssekretär Sebastian Kurz fordert niedrigere Verdienstgrenze für hochqualifizierte Ausländer.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Dieses kleine Kärtchen hält nicht wirklich, was es verspricht, und das verrät schon der erste Blick. Denn die Rot-Weiß-Rot-Karte für hochqualifizierte Arbeitskräfte aus dem Nicht-EU-Ausland ist nämlich rosa und hellblau. Doch das ist nur eine kleine optische Täuschung. Dass im Jahr 2012 lediglich 1193 Personen diese Karte erhalten haben und damit als Schlüsselarbeitskräfte anerkannt wurden, ist hingegen bemerkenswert. Denn obwohl seit dem Vorjahr auch Rot-Weiß-Rot-Karten für Mangelberufe ausgestellt werden (z.B.: Tischler, Schweißer, Krankenpfleger), ist die Anzahl der bewilligten Aufenthaltstitel zurückgegangen.
Diese Zahlen, die bei der Präsentation des Integrationsberichts von Staatssekretär Sebastian Kurz vorgestellt wurden, lassen zwei Deutungen zu. Entweder ist die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften aus Drittstaaten nicht höher als eben für 1193 Personen pro Jahr - oder die Kriterien für den Aufenthaltstitel sind so schwer zu erfüllen, dass nicht mehr Ausländer die Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten haben. Trotz Nachfrage von beiden Seiten, den Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Migrationsfachmann Heinz Fassmann, der Vorsitzende von Kurz’ Expertenrat für Integration, tendiert zur zweiten Interpretation der Statistik. Fassmann - er ist auch Vize-Rektor der Uni Wien - fordert eine Aufweichung der strengen Kriterien. "In manchen Bereichen strahlt die Rot-Weiß-Rot-Karte eine Unfreundlichkeit aus", sagt Fassmann. Konkret wünscht er sich eine Herabsetzung der Einkommensgrenze, die gegenwärtig rund 1900 Euro brutto beträgt, eine längere Suchdauer für Studienabsolventen (12 statt wie derzeit 6 Monate) sowie die Anerkennung des Bachelor-Titels als Qualifikation für einen Antrag. Bisher muss ein Master-Abschluss nachgewiesen werden.
Sozialminister dagegen
Obwohl die Republik Österreich größtenteils die Ausbildung gezahlt habe, müssten erfolgreiche Absolventen aus Drittstaaten das Land verlassen, wenn sie nicht binnen sechs Monaten die nötigen Kriterien erfüllen, weshalb dann andere Länder von ihrer Arbeitskraft profitieren.
Dass Kurz mit dem gegenwärtigen Kriterienkatalog nicht ganz zufrieden ist, hat er schon vor Monaten deponiert, auch am Dienstag schloss er sich Fassmann an. Und auch die Industriellenvereinigung zeigte sich erfreut über die Forderungen, die eben nicht gänzlich neu sind. Geändert hat sich bisher nichts, was vor allem einen Grund hat: Die Kriterien waren nicht nur das Ergebnis von koalitionsinternen, sondern auch sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen. Und was einmal im Erledigt-Ordner liegt, das pickt.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer will das Paket nicht wieder aufschnüren, weder an der Einkommensgrenze, der Suchdauer und auch nicht an den Ausbildungskriterien etwas verändern. Dass die Realität für Studienabgänger heutzutage mitunter anders aussieht, als binnen sechs Monaten einen Job für 1900 Euro brutto zu haben, ist jedoch auch dem Sozialministerium bekannt, wie ein Sprecher sagt. "Die Karte dient sicher nicht dazu, das Prekariat zu stützen und zu fördern. Und wir wollen diese prekären Beschäftigten nicht noch mit weiteren Arbeitskräften befeuern."
Mehrheit kommt ohne Karte
Gerade am Anfang einer akademischen Karriere stehen heute nicht selten Teilzeitjobs, projektbezogene Werkverträge oder freie Dienstverträge - da trifft die Realität auf eine gewerkschaftliche Urangst: das Lohndumping. Die frühere Einkommensgrenze von 60 Prozent der Höchstbemessungsgrundlage (gegenwärtig 4440 Euro) wurde bei den Verhandlungen zur Rot-Weiß-Rot-Karte auf 45 Prozent gesenkt, eine weitere Diskussion will Hundstorfer nicht.
Und auch die Arbeiterkammer sieht keine Notwendigkeit, die Verdienstlatte noch weiter nach unten zu legen. Lediglich die sechsmonatige Suchdauer sieht AK-Experte Johannes Peyrl als "nicht geglückt", wenn auch eher aus legistischen Gründen. Allerdings hält Peyrl die verlangten Deutschkenntnisse für nicht praktikabel, die wiederum von Kurz als Erfolgsstory gepriesen werden. "Das ist absolut sinnvoll", sagt der Staatssekretär.
Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist jedenfalls einer der letzten Möglichkeiten, Zuwanderung wirklich zu steuern, denn die absolute Mehrheit der 140.000 Zuzügler im Vorjahr wanderte aus der EU ein. Kriterien? So gut wie keine.