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Willkommensklasse oder Ghettoklasse? Integrationsbericht 2015 sieht Spracherwerb als Schlüssel.
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Wien. Der am Donnerstag von Integrationsminister Sebastian Kurz vorgestellte Integrationsbericht 2015 stellt Bildungsmaßnahmen, Sprachförderung und Wertevermittlung in den Fokus. Kritik hagelt es vor allem vonseiten der Grünen, der FPÖ und dem AMS, das sich gegen die Vorschläge des Expertenrates wehrt. Kurz zieht in dem Bericht Bilanz und beantwortet die Fragen: Was wurde 2011 bis 2015 im Bereich der Integration erreicht und wie sehen zukünftige Pläne zu einer verbesserten Integrationspraxis aus?
"Lieber früher investieren, als später reparieren", lautet der Leitsatz der Bildungs- und Sprachkampagne des Integrationsministers. Für alle in Österreich lebenden Kinder sollen demnach die gleichen Bildungschancen geschaffen werden. Frühe Sprachförderung ist ein wesentlicher Teil des 20-Punkte-Programms des Expertenrates, welches als Ausgangspunkt für die erfolgten Maßnahmen dient.
SPÖ-Widerstand bröckelt
Zukünftige Pläne sehen die Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres und sogenannte "Willkommensklassen" für quereinsteigende Schüler vor, um ihnen einen besseren Einstieg ins Bildungssystem zu ermöglichen. Die Idee zur Einführung eigener Klassen für zugewanderte Schüler wird vor allem von den Grünen heftig kritisiert. Integrationssprecherin Alev Korun fordert zusätzliches Lehrpersonal, anstelle von eigenen "Ghettoklassen". Die SPÖ war stets gegen getrennte Klassen. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) lehnt das Klassenprojekt aber nicht mehr völlig ab. Die Intensivkurse müssten aber so kurz wie möglich sein. Minister Kurz ist zuversichtlich, eine Einigung in dieser Frage zu erzielen.
Bereits umgesetzt wurde ein Onlineportal, das die Möglichkeit bietet, die eigenen Deutschkenntnisse vor dem Zuzug nach Österreich zu überprüfen und bereits Gelerntes zu wiederholen. Seit November 2012 können Migranten das Sprachportal nutzen um zu testen, wie fit sie bereits im Umgang mit der deutschen Sprache sind.
Wertehaltig
Der Wertevermittlung kommt im Integrationsbericht ebenfalls eine zentrale Stellung zu. Die Grundwerte Österreichs sollen im Zuge des Programms vermittelt werden, um eine gelingende Integration zu garantieren. Im April 2013 wurde eine neue Lernunterlage zur Staatsbürgerschaftsprüfung eingeführt, die den Fokus stärker auf die Vermittlung österreichischer Werte legt, dokumentiert der Bericht. Einige Monate danach erfolgte eine Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes, das bei Nachweis bestimmter Integrationsleistungen den früheren Erwerb der Staatsbürgerschaft ermöglicht. Das Dialogforum Islam, das 2012 ins Leben gerufen wurde, wird im Integrationsbericht hervorgehoben. Die daraus erfolgte Neufassung des von Islamvereinen zum Teil heftig bekämpften neuen Islamgesetzes weist das Ministerium als Ergebnis des Dialoges zwischen den Communities und Religionsgemeinschaften aus.
1,7 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund lebten 2014 in Österreich, um 90.000 mehr als im Vorjahr. Die Zuwanderung stieg um 12 Prozent, die meisten Zuwanderer kamen aus EU-Staaten. Rumänien belegt dabei Platz eins, gefolgt von Deutschland und Ungarn. Trotz zahlreicher Krisen hat sich das Integrationsklima sogar verbessert. 2015 meinten 41 Prozent der Bevölkerung, dass die Integration sehr gut oder eher gut funktioniere. 2010 waren es lediglich 31 Prozent. Die Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund, konkret 90 Prozent, fühlen sich in Österreich eher oder völlig heimisch. 70 Prozent der Befragten gaben an, sich Österreich mehr zugehörig zu fühlen als ihrem Heimatland.
"Dringenden Handlungsbedarf" sehen die Grünen nach der Präsentation des Integrationsreports. Die FPÖ sieht den Bericht als Beweis des Versagens der Regierung: Integration sei eine "Bringschuld" der Zuwanderer und "Integrationsverweigerung" solle mit dem Entzug von Sozialleistungen abgestraft werden, kommentiert Parteiobmann Heinz-Christian Strache den Integrationsdiskurs. Gegen den Vorschlag des Expertenrates, Kompetenzerhebungen durchzuführen und Deutschkenntnisse zu überprüfen, wehrte sich der Arbeitsmarktservice (AMS). Die Ressourcen des AMS reichen dafür nicht aus und die Vermittlung von Sprachkenntnissen sei nicht primär Aufgabe des AMS, stellte der Vorstandsvorsitzende Harald Buchinger klar.
Auf Bund-, Länder- und Gemeindeebene soll die Kooperation verbessert werden. Integration stelle eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, betont der aktuelle Integrationsbericht. Der Bund soll koordinierend tätig sein, doch ein Gelingen kann nur durch die Mitwirkung aller Beteiligten und Ebenen realisiert werden.