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Eine kleine Besserverdienerbremse

Von Jan Michael Marchart

Politik

Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage ist eine Umverteilungsmaßnahme, die auch Geld für Krankenkassen bedeutet.


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Wien. Die monatliche Höchstbeitragsgrundlage der Sozialversicherung soll durch die Steuerreform im Jänner 2016 einmalig einen außerordentlichen Sprung machen. Diese Erhöhung betrifft die Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung. Statt der jährlichen Anhebung von rund 90 Euro sollen es zu Jahresbeginn um 100 Euro mehr, also insgesamt 190 Euro sein. 90 Millionen Euro werden durch die Anhebung prognostiziert. Ein nicht unwesentlicher Anteil des sogenannten Solidaritätspakets zur Gegenfinanzierung der Steuerreform. Gemeinsam mit der Grunderwerbssteuer, der Immobilienertragssteuer, dem Beitrag für Topverdiener sowie der Kapitalertragssteuer soll sie rund 400 Millionen in die Gegenfinanzierungs-Kassen zur Lohnsteuerentlastung spülen. Die letzte Erhöhung zur normalen jährlichen Valorisierung erfolgte 2013. Und zwar um 90 auf 210 Euro im Zuge eines Sparpakets.

Außerordentliche 21 Euro

Zur Erklärung: als Höchstbeitragsgrundlage wird in Österreich eine monatliche Einkommensschwelle bezeichnet, oberhalb derer das Einkommen eines Versicherten zur Sozialversicherung beitragsfrei bleibt. Versicherungsbeiträge werden mit anderen Worten nur jeweils auf den Teil des monatlichen Einkommens erhoben, der unterhalb dieser Schwelle liegt. Derzeit liegt der monatliche Bruttowert bei 4650 Euro. 2016 soll er dann bei 4840 Euro liegen. "Für jene, die sich unter diesem Wert befinden, ändert sich logischerweise nichts. Besserverdiener trifft es aber", erklärt Thomas Kiesenhofer von der Steuerberatung LeitnerLeitner. So weit, so logisch.

Kritik an der Erhöhung kommt vor allem von der Arbeitgeberseite, weil damit die Lohnnebenkosten zu Zeiten eines wirtschaftlichen Nullwachstums erhöht werden. Erwartet hat man sich eine Entlastung und wurde nun negativ überrascht. Pro Arbeitnehmer sind durch den Zusatz-Hunderter etwa 21 Euro nötig.

Rund 330.000 Beschäftigte sollen die außerordentliche Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage spüren, so die Schätzungen von Experten. Laut Vertretern der Unternehmen werden durch diesen einmaligen zusätzlichen Sprung bei der Höchstbeitragsgrundlage die Lohnnebenkosten durch die Hintertüre erhöht. Sozialexperte Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer kritisierte am Dienstag im Ö1-Morgenjournal: "Klar ist, dass unterm Strich eine Verteuerung bleibt."

Der leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz, kontert der Kritik der Unternehmer. Dem Arbeitnehmer selbst würde die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage letztlich rund 200 Euro im Jahr kosten. Die Lohnsteuerentlastung schlage sich dafür mit gut 2000 Euro zugute. "Es bleibt immer noch eine ordentliche Entlastung über", meint er. Christine Mayrhuber vom Wifo erklärt, dass die Betroffenen durch die Mehrkosten auch Anspruch auf eine höhere Pension haben.

Profitieren soll mitunter die Arbeiterkammer (AK), die mit einem Anstieg der Kammer-Umlage rechnet. Präsident Rudolf Kaske erwartet 165.000 Euro mehr Einnahmen pro Monat. Die möchte er in Arbeitsmarktprojekte und den Konsumentenschutz investieren.

Über die Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage freuen sich freilich auch die Krankenkassen. Die bilanzieren nämlich heuer ein Minus. Nach dem jüngsten Voranschlag des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger wird von einem Defizit von 128,9 Millionen Euro für 2015 ausgegangen. Zum Vergleich: Im Vorjahr haben die Kassen nach vorläufigen Zahlen noch ein Plus von 83 Millionen Euro bilanziert.

Heuer stiegen nur noch drei Kassen positiv aus. Die Salzburger Gebietskrankenkasse (plus 2,7 Millionen Euro), die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (plus 3,4 Millionen Euro) und die Sozialversicherungsanstalt der Bauern (plus 46,7 Millionen Euro). Ein ausgeglichenes Ergebnis erwarten die Gebietskrankenkassen im Burgenland und der Steiermark. Alle anderen Kassen rutschen ins Minus. Allen voran die Wiener mit 64,1 Millionen Euro.

Niedrigverdiener entlastet

Die Steuerreform bringt nun auch für die Kassen mehr Geld, das sie dringen brauchen. Zahlen dazu gibt es auf Anfrage bei der Sozialversicherung noch keine. Vor allem aber soll die Erhöhung Grundlage den Bundeszuschuss für Pensionen wenig aber doch dämpfen. Im Jahr 2013 betrug der Zuschuss fast 8,7 Milliarden Euro, was ein Anstieg von 55 Prozent gegenüber 2003 ist, als der Zuschuss noch lediglich 5,6 Milliarden Euro schwer war. "Bei 90 Millionen wird der Effekt für beide Parteien schlussendlich ein kleiner sein", sagt Kiesenhofer.

Letztendlich ist der Zusatz-Hunderter eine Maßnahme, die die Begünstigung der Besserverdiener durch das neue Steuer-Tarifmodell abfedert. "Je höher das Einkommen ist, desto höher ist auch die Entlastung in absoluten Zahlen. Jedenfalls unter der Millionengrenze", sagt Kiesenhofer. "Dass die Besserverdiener zahlen sieht man lieber, als wenn das der kleine Arbeiter übernimmt."

Mit dieser von der ÖVP und der Wirtschaft in der Vergangenheit stets kritisierten Maßnahme hat die SPÖ eine langjährige Forderung umgesetzt. Einige Sozialdemokraten und Gewerkschafter haben nicht nur eine Erhöhung, sondern die Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage verlangt. Mit der Erhöhung für Besserverdiener wird ein Teil der Gutschrift und Entlastung für etwa 2,6 Millionen Personen mit geringerem Einkommen ab dem kommenden Jahr eine höhere Steuergutschrift von maximal 400 Euro statt 110 Euro im Jahr bringen. Pensionisten werden erstmalig von einer Gutschrift von maximal 110 Euro profitieren.