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Eine köstliche Debatte

Von Walter Hämmerle

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Warum, bitte schön, sollte nicht Alois Stöger den Kanzler abberufen können? Das zu diskutieren, kann ja wohl nicht verboten sein. Ist es auch nicht. Leider.


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Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Aber muss deswegen gleich jeder, wirklich jeder Vorschlag zu einer großen Geschichte aufgeblasen werden? Muss er natürlich nicht, wird er aber trotzdem. Man fragt sich nur: Wieso?

Da fordert also der niederösterreichische Landeshauptmann die Abschaffung des Amtes des Bundespräsidenten in seiner derzeitigen Form - und prompt wird die halbe Republik um eine Stellungnahme gebeten.

Was soll’s, dass die Abschaffung ja nur die gesamte Verfassungskonstruktion für die Spitze der Republik über den Haufen werden würde? Eine Schlagzeile war geboren.

Aber einige Fragen sollte man dabei schon auch beantworten. Etwa, wer dann die recht erheblichen Machtbefugnisse des Bundespräsidenten schultern soll. In der Schweiz, die diesbezüglich immer als Vorbild genannt wird, rotiert das höchste Amt unter den Bundesräten, den Mitgliedern der eidgenössischen Regierung.

In Österreich ernennt der Bundespräsident den Bundeskanzler - ein Amt, das es in der Schweiz überhaupt nicht gibt. Schafft Österreich dann auch den Kanzler ab? Oder wird ein neuer Regierungschef einfach von einem Mitglied des abtretenden Kabinetts ernannt, das zufällig gerade turnusmäßig das Bundespräsidentenamt innehat? Und, noch besser: Attestiert dann ein Mitglied der Bundesregierung in seiner Rolle als Bundespräsident das verfassungsgemäße Zustandekommen eines Gesetzes, das gerade eben von seiner eigenen Regierung initiiert und beschlossen wurde? Der absolute Knüller wäre natürlich, wenn zum Beispiel Gesundheitsminister Alois Stöger als rotierendes Staatsoberhaupt einfach Kanzler Werner Faymann entließe. Einfach, weil der oberösterreichische Sozialdemokrat das Vertrauen in seinen Wiener Parteifreund verloren hätte. Könnte ja durchaus passieren.

Und wenn Stöger auch sich selbst nicht länger vertrauen will, dann könnte er auch der ganzen Regierung den Stuhl vor die Tür stellen. Dann hätte sich der Bundespräsident quasi selbst abberufen.

Köstlich.

Natürlich sind diese Feinheiten jedem Landeshauptmann bewusst. Verfassungen sind komplexe Gesamtkunstwerke, aus denen man nicht einfach einen Teil herausreißen kann. Aber um die diffizile Balance zwischen den obersten Organen der Republik geht es ja auch nicht, sondern um die Schlagzeile für einen Tag. Danach kommt das nächste Thema dran. Und immer so weiter und immer so fort. So funktioniert in Österreich Politik.

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Wie man sich der Versuchung, einen Sager zu produzieren, entziehen kann, demonstrierte am Montagabend Hans-Dietrich Genscher, der legendäre deutsche Ex-Außenminister. Befragt im Rahmen eines Kamingesprächs im Wiener Rathaus. Auf die Frage, welcher der drei deutschen Kanzler, mit denen er zusammenarbeitete - Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Helmut Kohl -, der beeindruckendste gewesen sei, antwortete der alte Politfuchs - nach gut getimter Pause - mit Anwar al Sadat. Ägyptens Präsident bezahlte für seinen Friedensschluss mit Israel mit dem Leben.