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Zu den treuesten Begleiterscheinungen von Krisen gehören Prognosen. Die einen erklären uns täglich, alles sei noch viel schlimmer als bisher angenommen und wir müssten noch viel länger als schon ursprünglich befürchtet auf einen Aufschwung warten; die anderen meinen, in ein paar Wochen sei das Schlimmste überstanden. Ich halte diese Prognoszitis fast für eine Art von Krankheit.
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Worauf beruhen diese Weissagungen? Man erfährt es nicht wirklich. Zahlen und Thesen schwirren durch die Luft, das ist alles. Skepsis ist jedenfalls in beiden Fällen angebracht, denn was können wir heute beobachten? Auch einem Laien dürfte es einleuchten, dass es irgendwelche Zusammenhänge zwischen der Immobilienkrise in den USA im Jahre 2007 und der Liquidität großer internationaler Banken geben könnte, dass mangelnde Liquidität der Dynamik der Wirtschaft nicht gerade zuträglich sein dürfte, dass Rückgänge in der Produktivität die Kaufkraft in Mitleidenschaft ziehen würden, und dass dergestalt gebremste Geldflüsse früher oder später auch auf die sogenannte Realwirtschaft Auswirkungen haben dürften. War es reines Verantwortungsbewusstsein, um eine unheilvolle Panik zu vermeiden, der veröffentlichten Meinung rechtzeitige diesbezügliche Prognosen vorzuenthalten? Na ja, wir wollen es gnädig glauben.
Weshalb Prognosen selten zutreffen, lässt sich leichter erklären als der Grund, weshalb sie immer noch erstellt und - anscheinend - auch geglaubt werden. Mark Twain, Karl Valentin und Niels Bohr wird die weise Feststellung zugeschrieben: "Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen." Von wem auch immer sie stammt, man sollte sie ernst nehmen.
Es gibt vor allem einen gewichtigen Grund, weshalb Prognosen mit Vorsicht zu genießen sind. Und es ist ein Grund, der sogar einen gewissen Optimismus rechtfertigt: Der Faktor Mensch lässt sich nicht absehen. Prognosen sind Kalkül, beruhen auf Zahlen und Fakten, schließen von der Vergangenheit auf die Zukunft. Der Mensch aber ist noch zu ganz anderem fähig. Gerade in Krisen entstehen zuweilen die größten Ideen. Ich denke, es ist nicht vermessen, auch jetzt auf sie zu bauen.
Wer möchte denn nicht erfolgreich sein, Anerkennung und Lob für Geleistetes erfahren? Das sollte jetzt auf einmal anders sein? Mitnichten! Trotz Krise arbeiten und mühen sich Millionen Menschen täglich, damit es weiter läuft; und vieles läuft auch weiter, sogar ganz hervorragend. Wer kann dies leugnen?
Es wird wieder bergauf gehen, und jeder Einzelne kann diesen Augenblick für sich bestimmen, indem er wieder an die Zukunft glaubt und danach handelt. Wenn viele das bald tun, und vor allem, wenn Banken und Unternehmen das auch bald verstehen und beherzigen, wetten, dass dann auch die der Realität nachhinkenden Prognosen bald wieder besser werden?
Martin Ploderer ist Business
Developer bei Eucusa, Gesellschaft für Mitarbeiter- und
Kundenorientierung.
"Es wird wieder bergauf gehen, und jeder Einzelne kann diesen Augenblick für sich bestimmen, indem er wieder an die Zukunft glaubt."
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