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Einer der Standardvorwürfe gegenüber den verstockt-reaktionären Österreichern lautet, sie seien von Vorurteilen gegen ihre Nachbarn im Osten und Süden erfüllt. Wer Zeitung liest, wird bemerken, dass sich die Linke in diesem Punkt als sehr lernfähig erwiesen hat.
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Die aktuelle Berichterstattung über Ungarn knüpft da an Vorbilder an, die sonst gern in den Bereich des Fragwürdigen verwiesen werden: Schon weiland der legendäre Volksbürgermeister Karl Lueger ritt zum Gaudium seines Publikums laufend Attacken gegen "Transleithanien", das sich erfrechte, seine Interessen zu wahren. An diese Tradition wird man erinnert, wenn man die Gazetten liest, die mit düsteren Moll-Tönen und sorgenumwölkter Stirn auf die ungarische EU-Präsidentschaft einstimmen.
Kurios ist auch, welche Vorwürfe da an die Adresse der ungarischen Regierung gerichtet werden. "Europa" macht sich angeblich Sorgen wegen Plänen, der Verfassung eine präsidentielle Note zu geben. Was für Kopfzerbrechen muss den besorgten Europäern da erst das Amtsverständnis Jacques Chiracs bereitet haben? Oder wegen der Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofs - eine Institution, die zum Beispiel England, das Mutterland des Parlamentarismus, überhaupt nicht kennt.
Am drolligsten ist freilich die Medienschelte, die rechte Regierung von Viktor Orban nehme zu viel Einfluss auf den Rundfunk. Das ist ja wohl in Europa überhaupt unerhört, von Österreich ganz zu schweigen.
Einverstanden: Vielleicht könnte man den Ungarn da wirklich nahelegen, sich ein Beispiel an ihren aufgeklärten westlichen Nachbarn zu nehmen. Die ungarische Links-Opposition hat bei den letzten Wahlen ein Viertel der Stimmen erhalten, das heißt: ungefähr so viel wie die Rechts-Opposition in Österreich. Wäre es da nicht recht und billig, ihr mindestens ebenso viel Einfluss im Staatsrundfunk einzuräumen, wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und BZÖ-Chef Josef Bucher bekanntermaßen auf dem Küniglberg genießen?
Fragt sich bloß, ob die oppositionellen ungarischen Sozialisten damit auch wirklich so voll und ganz zufrieden wären?
Die Beziehung der Medien zum heimischen Parteiensystem ist - bei aller durch Meinungsumfragen unter Journalisten belegten Linkslastigkeit der Branche - eben doch von allen möglichen persönlichen Sympathien und Antipathien durchwachsen.
Bei der Auslandsberichterstattung tritt die Voreingenommenheit da noch viel ungebrochener zutage: Finden etwa in Rom gegen rechten Premier Silvio Berlusconi gewalttätige Demonstrationen statt, so wird der gerechte Volkszorn beschworen. Als sich vor Jahr und Tag Ähnliches in Ungarn abspielte, nur eben gegen die linke Vorgängerregierung Orbans, war hingegen gleich die Demokratie in Gefahr. In diesem Sinne, ganz nach Johann Strauß, der auch das ungarische (Halb-)Jahr einläuten wird: Eljen a Magyar! (Es lebe der Ungar!)
Lothar Höbelt ist Historiker an der Universität Wien.