Uruguays Staatschef darf bei der Wahl am Sonntag nicht noch einmal antreten.
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Montevideo. (ce) Er gilt als der ärmste Präsident der Welt: José Mujica lebt auf einem kleinen Bauernhof am Stadtrand der Hauptstadt Montevideo und fährt privat einen alten VW Käfer. Sein Dienstwagen ist ein Opel Corsa.
90 Prozent seines monatlichen Präsidentengehalts von knapp 300.000 uruguayischen Pesos (etwa 9800 Euro) spendet Mujica. Doch Mujica sieht sich nicht als arm, das betont er immer wieder. "Ich lebe mit dem Nötigsten, damit die käuflichen Dinge mir nicht die Freiheit rauben", sagte er jüngst in einem Interview mit CNN. Er wolle so leben wie die Mehrheit der Bevölkerung. Seinen Lebensstil sieht er als politisches Statement gegen die Konsumgesellschaft.
In seiner Amtszeit von 2010 bis 2014 hat der ehemalige Guerillero das kleine Land mit seinen rund 3,4 Millionen Einwohnern zu einem der liberalsten Staaten Südamerikas gemacht.
Homo-Ehe und Marihuana
Mujica erlaubte die Homo-Ehe, machte Abtreibungen straffrei und legalisierte als erster Staatschef weltweit den Anbau von Cannabis. Das "Time Magazine" wählte Mujica in diesem Jahr unter die 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt, mehrfach war er für den Friedensnobelpreis nominiert. Einige sehen ihn ihm gar einen Nelson Mandela Südamerikas und beziehen sich dabei auf die 13 Jahre, die er in Haft verbrachte. Vier Tage nach seiner Entlassung sagte er bereits versöhnlich: Die Position der Augen sei von der Natur aus so gewählt worden, "damit man nach vorne sehen kann".
Mujica, 1935 geboren, war in den 1960er Jahren Mitbegründer und Anführer der Guerillagruppe Tupamaros, beteiligte sich an Entführungen und Banküberfällen. Auch seine Frau Lucía Topolansky, heute Senatorin, ist eine ehemalige Kämpferin. Mujica wurde wegen Polizistenmordes verurteilt und musste für 13 Jahre ins Gefängnis, sieben Jahre davon in Einzelhaft. 1985 kam er, nach der Rückkehr der Demokratie in dem Land frei - dank einer Amnestie für politische Häftlinge.
25 Jahre später trat er für das Linksbündnis "Breite Front" das Präsidentenamt an und begann mit seinen liberalen Reformen. Auch wirtschaftlich ging es für Uruguay bergauf, das Land hatte nach 2002 mit den Ausläufern der schweren Krise seines Nachbarn Argentiniens zu kämpfen.
Nach Angaben der Weltbank ist die Wirtschaft zwischen 2006 und 2013 durchschnittlich um 5,5 Prozent gewachsen, die Armut wurde weiter reduziert, und die Arbeitslosigkeit lag 2013 bei historisch niedrigen 6,3 Prozent.
Dennoch hat Mujicas Popularität im Land zuletzt nachgelassen. Nach Einschätzung von politischen Beobachtern polarisieren gerade jene Reformen, die im Ausland gefeiert werden. Mujica sieht sein Land als Versuchslabor, um Drogenhandel und -kriminalität einzudämmen. Im August wurden die ersten privaten Anbauflächen von Cannabis zugelassen. Umfragen zufolge lehnen aber fast zwei Drittel der Uruguayer die Legalisierung von Marihuana ab.
Laut Verfassung sind in Uruguay zwei aufeinanderfolgende Mandate nicht erlaubt. Deshalb darf der 79-Jährige bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag nicht direkt noch einmal antreten. Das macht Mujica nichts aus. Der gelernte Blumenzüchter freut sich darauf, wieder mehr Zeit für seinen Bauernhof zu haben - und aufs Traktorfahren.
Nach aktuellen Umfragen hat sein Nachfolger in der Partei, Tabaré Vzáquez, gute Chancen auf das Regierungsamt. Vázquez kommt laut Erhebungen auf rund 44 Prozent der Stimmen, der aussichtsreichste Kandidat der Opposition, Luis Lacalle Pou von der konservativen Nationalen Partei, auf etwa 32 Prozent.
Tabaré Vázquez war bereits vor Mujicas Periode Präsident, nämlich von 2005 bis 2010, und will als Nachfolger Mujicas die bisherige Politik weiterführen. Gegenkandidat Luis Lacalle Pou ist Rechtsanwalt und Sohn des früheren Präsidenten Luis Alberto Lacalle. Er hat angekündigt, im Falle seines Wahlsiegs das Cannabis-Gesetz wieder rückgängig zu machen. Voraussichtlich wird es zur Stichwahl kommen. Im Parlament könnte die Regierungspartei laut Umfragen ihre bisherige Mehrheit verlieren.