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Eine leichte Grippe, Impfkosten von 30 Millionen - und panische Medien

Von Werner Grotte

Analysen

Im ORF-"Report" kündigte Gesundheitsminister Alois Stöger am Dienstag Abend den bald 1000. Schweinegrippe-Fall in Österreich an. Schon Mittwoch Vormittag vermeldete der ORF via Internet, dass es "allein in Wien vergangene Woche rund 10.800 Neuerkrankungen" gegeben habe, und berief sich dabei auf "Hochrechnungen des Institutes für Virologie".


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In der sich täglich mehr aufschaukelnden Medien-Hysterie widersprechen sich die Meldungen und bewirken nur eines: Panik. So meinte im "Report" ein Arzt, die Impfung für die Allgemeinheit käme bereits zu spät, da es etliche Tage oder gar Wochen dauern würde, bis sie volle Wirkung im Körper entfaltet habe - dann sei der Höhepunkt der Grippewelle aber bereits vorbei. Andere wiederum schätzen, dass die eigentliche Grippewelle erst im Jänner drohe.

Tatsächlich wurde der hierzulande verwendete Impfstoff Celvapan seitens der zuständigen Kontrollgremien erst kürzlich freigegeben - dafür soll er wirksamer und nebenwirkungsfreier sein als die in anderen EU-Staaten bereits früher verfügbaren Produkte Focetria und Pandemrix.

Das Gesundheitsministerium hatte sich das Produkt des US-Pharmariesen "Baxter" in 1,6 Millionen Einheiten bereits lange im Vorhinein gesichert, was den Steuerzahler rund 30 Millionen Euro gekostet hat.

Zumindest die großen Mediziner-Standesvertretungen wie Ärztekammer oder MedUni-Wien sprechen - nach anfänglichem Zögern - mittlerweile klare Impfempfehlungen aus, vor allem für chronisch Kranke und Schwangere.

Andere Mediziner halten es für wichtiger, sich etwa gegen Pneumokokken oder die normale Influenza impfen zu lassen und erst dann gegen H1N1, da die bisherigen Opfer nicht an Grippe, sondern an bakterieller Superinfektion und dadurch ausgelöster Lungenentzündung verstorben seien.

So ist es auch schwer, genaue Zahlen über Grippetote zu finden. In Österreich erkranken jedes Jahr bis zu rund 400.000 Menschen an normaler Influenza, bis zu 3000 davon, so Schätzungen der Österreichischen Ärztekammer, sterben.

In Australien, wo in unserem Sommer Winter ist, wütete die H1N1-Welle bereits im Juli: Anfangs wurden auch dort Schulen geschlossen, Großveranstaltungen abgesagt und sogar Fiebermess-Punkte auf den Flughäfen eingerichtet.

Alle Maßnahmen stoppten das Virus nicht - wurden aber dennoch bald gelockert, als sich zeigte, dass der Verlauf beim Großteil der Erkrankten völlig problemlos ist. Die Zahl der Toten war um zwei Drittel geringer als in normalen Grippe-Saisonen. Betroffen waren nur Risikogruppen, für die auch bei uns eine primäre Impfempfehlung gilt.

Zumindest ein positiver Nebeneffekt scheint sicher: Die allgemein empfohlenen Prophylaxe-Maßnahmen wie gesteigerte Körperhygiene, Hand vorhalten beim Husten, häufiges Lüften und Meiden von Ansammlungen können in keinem Fall schaden.