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Eine Mauer gegen die Flut

Von Thomas Seifert aus New York

Politik

Bundespräsident Alexander Van der Bellen besucht ein Bauprojekt, das Manhattan vor Sturmfluten schützen soll.


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Eine Mauer zu bauen, die schützt, aber nicht teilt - vor dieser Aufgabe steht Jamie Torres-Springer. Jamie Torres Springer ist Design and Construction Commissioner der Stadt New York - einer Stadt mit rund 19 Millionen Einwohnern. Torres-Springer war nach dem verheerenden Hurrikan Sandy, der Ende Oktober 2015 Teile der Stadt überschwemmte und Milliardenschäden verursachte, für den Wiederaufbau zuständig.

New York liegt an der Atlantikküste und ist mehrfach vom Klimawandel betroffen: Nach den Prognosen von Klimawissenschafterinnen und Risikoforschern werden Sturmereignisse in der Zukunft heftiger ausfallen und das Ansteigen des Meeresspiegels setzt Metropolen an der Küste überall auf der Erde neuen Gefahren aus.

Die Mauer, um die es geht, soll diese Gefahren beherrschbar machen und Schäden beim nächsten Hurrikan minimieren: Entlang des FDR Drives im Stuyvesant Cove Park und im East River Park werden Mauern hochgezogen, um die tiefer liegenden Gebiete im Südosten Manhattans vor der nächsten Sturmflut zu schützen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat das Projekt als Besuchsziel während seines Aufenthalts anlässlich der UN-Generalversammlung in New York ausgewählt, um nicht nur bei den Debatten rund ums Klima bei dieser Generalversammlung dabei zu sein - das UNO-Hauptquartier, wo sich bei den Debatten dieses Jahres vieles ums Weltklima drehte, ist in Sichtweite -, sondern sich selbst ein Bild davon zu verschaffen, wie die Stadt New York sich auf die drohende Klimakatastrophe vorbereitet.

Die Schutzmaßnahmen sind ähnlich wie jene entlang der Donau - Mauern sollen vor Hochwasser schützen, bei einer drohenden Flut werden Flutschutztore geschlossen. Gleichzeitig wird der Park so revitalisiert, dass er trotz der Mauern für die Bevölkerung zugänglich bleibt. Selbst bei der Bepflanzung muss an allerlei Details gedacht werden: So sind nach dem verheerenden Hurrikan Sandy viele Eichen, die unter Wasser standen, eingegangen - in dem vor der Flutmauer liegenden Parkstreifen, der im Falle einer Flut unter Wasser stünde, werden daher nur meersalzresistente Baumarten gepflanzt.

Der New Yorker Planungsstadtrat Jamie Torres Springer hofft auf zusätzliche Budgetmittel aus dem Topf des von Joe Biden versprochenen Infrastrukturpakets.

Die Metropolitan Transit Authority (MTA), die die U-Bahnen und Busse in der Stadt betreibt, hat bereits 10 Milliarden Dollar an zusätzlichen Mitteln zugesagt bekommen, welche Summen genau für die Stadt New York insgesamt von der Bundesregierung in Washington zur Verfügung gestellt wird, ist aber derzeit noch unklar.

Der Bedarf ist jedenfalls enorm: Nicht nur, dass die Stadt widerstandsfähiger gegenüber Hurrikans, Überschwemmungen und Hitzewellen werden muss, wurde die Infrastruktur in den USA in den vergangenen Jahrzehnten stark vernachlässigt. Von den Brücken blättert Farbe, darunter lugt der Rost hervor, auf den Straßen tun sich Schlaglöcher auf. Bei Starkregen sind die Abwassersysteme rasch überfordert, wie erst in den vergangenen Wochen wieder zu sehen war, als sich Sturzbäche in U-Bahn-Schächte ergossen.

"New York ist durch den Klimawandel von der gemäßigten in die subtropische Klimazone gerutscht, darauf muss die Stadt sich einstellen", sagt der New Yorker Planungsstadtrat Jamie Torres Springer. Bundespräsident Alexander Van der Bellen unterstreicht nach seinem Besuch, dass die Antworten auf den Klimawandel vielschichtig sein müssten: Einerseits gehe es um einen Kurswechsel in Politik und Wirtschaft, gleichzeitig müssten aber Adaptations- und Vorsorgemaßnahmen getroffen werden. Küstenstädte wie New York stünden da vor besonderen Herausforderungen.

Wie hoch ist ein angemessener CO2-Preis?

Die nächste Station Van der Bellens an diesem Tag führt in die Wohnung des aus Österreich stammenden Klimaökonomen Gernot Wagner, der an der New York University unterrichtet.

Der 1980 in Amstetten geborene Wagner ist Österreich weiter verbunden und ist etwa regelmäßig Teilnehmer beim Europäischen Forum Alpbach. Es gibt Gugelhupf und Kaffee, den Wagner extra bei einem Barista in der Nähe geholt hat, um dem hohen Besuch aus Wien amerikanischen Kaffee zu ersparen. Bücher, ein Schachbrett, die "New York Times" und die "Financial Times" liegen auf dem Tisch. Wagner ist mit dem Buch "Klimaschock", das er mit seinem 2019 verstorbenen Harvard-University-Kollegen Martin Weitzmann geschrieben hat, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, Wagners jüngstes Buch "Stadt, Land, Klima" ist 2021 erschienen.

Wagner erzählt, wie schwierig es war, die in der Nähe des Washington Square Parks gelegene Wohnung klimafit zu machen - und das, obwohl sich die Stadt ehrgeizige Klimaziele bei der Gebäudesanierung gesetzt hat: Bis 2030 sollen die Haushalts-Emissionen in der Stadt halbiert werden.

Die beiden Professoren (Van der Bellen war jahrzehntelang Ökonomieprofessor an der Universität Wien) kommen rasch ins Fachgespräch, die Kernfrage in der Debatte der beiden: Wie findet man einen angemessenen Preis für Kohlendioxidemissionen? Ist der Markt - mit CO2-Bepreisung und Emissionshandel - nun die Lösung, nachdem Marktversagen - nämlich das Versagen, die externen Kosten von Treibhausgasemissionen einzupreisen - am Klimawandel ein gerütteltes Maß an Mitschuld trägt? Beide sind sich einig: Maßnahmen, um den Klimawandel zu stoppen sind immer noch billiger als die Schäden, die entstehen, wenn der CO2-Ausstoß ungebremst weitergeht.