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Eine Medaille mit zwei Seiten: Opferschutz am Beispiel Kampusch

Von Stephanie Dirnbacher

Analysen

"Natascha Kampusch hat keine Sonderrechte", betont Marianne Gammer vom "Weissen Ring". Die Gesellschaft zur Unterstützung von Verbrechensopfern hilft dann, "wenn es notwendig ist", erklärt die Geschäftsführerin. Notwendig ist zum Beispiel die unverzügliche Inanspruchnahme von Therapie, wie es bei Natascha Kampusch der Fall ist.


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Die Kosten können vom "Weissen Ring" in Form eines zinsenlosen Darlehens vorgeschossen werden. Grundsätzlich kommt aber das Bundessozialamt für die Entschädigungen von Verbrechensopfern auf. Von diesem holt sich der "Weisse Ring" dann später sein ausbezahltes Darlehen zurück.

Den Ersatz für seine Leistungen holt sich der Bund dann später vom Täter zurück. Im Fall Kampusch müsste der Bund auf die Verlassenschaft von Priklopil greifen. Das könnte Kampusch freilich schaden. Denn je mehr der Bund vom Erbe nimmt, desto weniger bleibt für die junge Frau und ihre Schadenersatzforderungen gegen Priklopil, die sie ebenfalls im Verlassenschaftsverfahren eintreiben muss. Nach einer Hochrechnung des Gerichtspsychiaters Reinhard Haller geht es dabei immerhin um 664.900 Euro.

Im Fall Kampusch sind aber bislang noch gar keine Darlehensleistungen erfolgt, versichert Gammer. Die Leistungen des Bundessozialamts für Verbrechensopfer umfassen unter anderem den Ersatz für Unterhalts- oder Verdienstentgang, für Heilfürsorge und orthopädische Versorgung sowie für Pflege- und Therapiekosten. Auch Natascha Kampusch kann auf solche Ersatzleistungen hoffen insbesondere für ihre Therapiekosten und möglicherweise für einen Verdienstentgang.

Ihre anwaltliche Vertretung ist von den Leistungen des Verbrechensopfergesetzes aber nicht gedeckt. Auch die jüngste Änderung im Strafrecht bietet dafür keine Grundlage. Demnach haben Verbrechensopfer unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung. Dieses Recht bezieht sich aber nur auf Strafprozesse gegen den Täter und die Vorbereitung darauf. Im Fall Kampusch wird es einen solchen Strafprozess es sei denn, man findet noch Mittäter nicht geben, da sich Wolfgang Priklopil das Leben genommen hat. Für die Vertretungskosten etwa im Verlassenschaftsverfahren muss Kampusch also vermutlich selbst aufkommen.

Der Opferschutz in Österreich hat sich laut Gammer dank einer Gesetzesänderung, die 2005 in Kraft getreten ist, stark verbessert. Der Kreis der Anspruchsberechtigten und auch die Leistungen wurden erweitert. Anspruchsberechtigt sind vorrangig die Opfer einer vorsätzlichen, mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Tat, wenn sie eine Körper- oder Gesundheitsverletzung erlitten haben. Die Voraussetzungen für die Leistungen werden vom Bundessozialamt im Einzelfall geprüft. Gewisse Entschädigungsleistungen wie jene für Therapien hängen davon ab, ob von der Krankenkasse ein Zuschuss gewährt wird oder nicht.