Der Wissenschaftsjournalismus steht unter Druck.
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Covid-19 hat dem Wissenschaftsjournalismus zu einer beispiellosen Prominenz verholfen. Die Bedeutung, die den Medien im Wissenschafts- und Forschungsbereich zukommt, wird noch zunehmen - allerdings unter keinen einfachen Voraussetzungen. Denn wie eine Studie des Instituts für Medien und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen zeigt, steht der Wissenschaftsjournalismus unter Druck: Die strukturelle Krise, in der die Medien stecken, macht auch vor dem Wissenschaftsjournalismus nicht halt. Gleichzeitig entstehen neue, medienunabhängige Formate der Wissenschaftskommunikation: Online-Portale oder Science-Influencer treten mit dem Journalismus in Konkurrenz. Auch zeichnet sich ein Trend ab, Forschungsergebnisse auf direktem Weg durch wissenschaftliche Einrichtungen selbst an die Öffentlichkeit heranzutragen.
Zusätzlich hat die Pandemie die Berichterstattung erschwert: Die hohe Dynamik der Wissensentwicklung, die enorme Informationsflut kombiniert mit Fake News, selbsternannte Expertinnen und Experten sowie widersprüchliche wissenschaftliche Erkenntnisse erfordern besondere Kompetenzen und Sorgfalt in der Vermittlung wissenschaftlicher Themen. Ohne die Bedeutung der neuen Kanäle für Wissenschaftskommunikation schmälern zu wollen, entbehren sie doch journalistischer Qualitätsstandards, die unabhängige Medien erfüllen sollten, wie etwa Objektivität, tiefergehende, kontroverse Betrachtungsweisen oder die Weiterverfolgung von Themen.
Qualitätsvoller Wissenschaftsjournalismus ist unentbehrlich: Ob Gesundheit, Klima- und Umweltpolitik oder die Digitalisierung - wissenschaftliche Erkenntnisse prägen nicht nur immer mehr Lebensbereiche, auch bei politischen Entscheidungen werden sie zunehmend als Entscheidungsgrundlage herangezogen. Parallel dazu wächst in der Bevölkerung die Bereitschaft, sich auf komplexe wissenschaftliche Inhalte einzulassen. Diese Entwicklungen eröffnen eine bisher nicht dagewesene Chance, wissenschaftliche Erkenntnisse in einem breiten Diskurs mit der Gesellschaft voranzutreiben. Dabei leisten Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten einen wichtigen Beitrag, indem sie vermitteln. Sie schaffen die Basis für Partizipation, indem sie relevante Themen aufgreifen und Bürgerinnen und Bürger mit notwendigen, fundierten Informationen versorgen und auf dem Laufenden halten. Dies führt in weiterer Folge zu einer Stärkung und Stabilisierung demokratischer Verhältnisse.
Dabei bildet eine starke und vertrauliche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Forschung auf der einen und den Medien auf der anderen Seite die Basis für eine fundierte Berichterstattung. Wissenschafterinnen und Wissenschafter sollten bereit sein, Journalistinnen und Journalisten einen freien Zugang zu ihren Erkenntnissen zu gewähren und ihr Wissen mit ihnen zu teilen. Das ist jedoch nicht nur uneigennützig. Denn von einer professionellen medialen Aufbereitung wissenschaftlicher Themen profitiert auch die Wissenschaft selbst, da eine transparente Kommunikation das Vertrauen der Bevölkerung in Wissenschaft und Forschung stärkt. Bei vielen Themen können Medien wertvolle Aufklärungsarbeit leisten und dadurch populistischen Theorien Einhalt gebieten.