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Eine Messe für Galileo Galilei

Von Christoph Strack

Wissen
Späte Genugtuung für den Wissenschafter Galileo Galilei (hier vor der Inquisition - ein Gemälde von Joseph-Nicolas Robert-Fleury aus dem 17. Jahrhundert). Foto: corbis

Versöhnungsgeste zum 445. Geburtstag. | Würdigung für gläubigen Physiker im Astronomie-Jahr. | Rom-Vatikanstadt. (kap) "Das bewegt mich tief", sagte der sizilianische Physiker und Präsident der "World Federation of Scientists", Antonino Zichichi, nach der Messfeier für Galileo Galilei in der römischen Basilika Santa Maria degli Angeli: "Ich arbeite seit Jahrzehnten über Galileo Galilei. Und nun gibt es diese Messe für ihn, die erste seit mehr als 400 Jahren." Zichichi - der zu den weltweit führenden Vertretern seiner Zunft gehört - ist zutiefst überzeugt, dass es zwischen Glaube und Naturwissenschaft keinen Gegensatz geben soll.


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Die lange Geschichte der katholischen Kirche mit Galilei ist seit Sonntag um eine Etappe reicher. Am 445. Geburtstag des Astronomen und Physikers, 376 Jahre nach dem erzwungenen Widerruf seiner Thesen vor der römischen Inquisition, ehrte ihn die katholische Kirche mit einem Gottesdienst in der Basilika Santa Maria degli Angeli, die Michelangelo in den Ruinen der Diokletiansthermen erbaut hatte. Mehr als 100 internationale Naturwissenschafter nahmen daran ebenso teil wie hohe Vatikan-Repräsentanten teil.

Bewusst gewählter Ort

Der Ort des Gedenkgottesdienstes für Galilei war kein Zufall, denn zu den Besonderheiten von Santa Maria degli Angeli zählt ein mehr als 45 Meter langer, in wissenschaftlicher Genauigkeit in den Fußboden eingearbeiteter Meridian. Papst Clemens XI. setzte zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Kommission zur Überprüfung des Gregorianischen Kalenders ein: Der Meridian sollte als Bezugspunkt der mathematischen und astronomischen Berechnungen dienen.

Galilei steht für den Kampf um die Wahrheit zwischen Kirche und Wissenschaft. Doch seit Monaten zeigt sich - passend zum Internationalen Jahr der Astronomie anlässlich des Jubiläums von Galileis astronomischen Entdeckungen - eine ausgesprochen offensive kirchliche Neubewertung. War bereits unter Johannes Paul II. klar, dass Galilei kein Ketzer war, so wird jetzt verstärkt auf sein Wirken als gläubiger Wissenschafter verwiesen.

Am 15. Februar 1564 wurde Galilei geboren; drei Tage später starb der Universalkünstler Michelangelo. Mit dem Hinweis darauf verdeutlichte Erzbischof Gianfranco Ravasi, sozusagen Kulturminister des Vatikan, welche Bewegung die Kirche in jener Zeit erlebte: "Galilei hatte eine ungeheure Produktivität und verband dabei Vernunft und Glauben. Er hat Grenzen überschritten und neues Wissen erschlossen; damit wirkt er bis heute nach."

Zichichi und die "World Federation of Scientists" thematisieren in Santa Maria degli Angeli die beiden Seiten Galileis mit einer umfangreichen Ausstellung, die bald auch in Moskau gezeigt werden soll. Sie verweist auf den Reichtum von Galileis Entdeckungen und Theorien. So fiel, während Ravasi predigte, sein Blick durch den Kirchenraum auf eines der Ausstellungsstücke: Langsam und gleichmäßig, aber unaufhaltsam bewegte sich dort ein langes Pendel hin und her - auch eine der Erfindungen des Physikers, der die Gesetzmäßigkeit der Schwingung erkannt hatte.

"Galileo hatte recht"

Vor der Messe hatte Zichichi den Erzbischof in einen Seitenraum des gewaltigen Kirchenbaus geführt. Dort zeigt ein Monitor den Besuchern den Astronauten David Scott, der 1971 den Mond betreten hat. Kurz bevor er wieder in die Mondfähre einstieg, demonstrierte Scott mit einer Feder und einem Hammer, dass die Fallgeschwindigkeit eines Objekts im Vakuum unabhängig von seiner Masse ist. Hammer und Feder liegen nun in einer Vitrine vor dem Bildschirm.

"Galilei was right" ("Galileo hatte recht"), hört man den US-Astronauten mit der typisch knisternden Stimme über Funk sagen. Da musste auch Erzbischof Ravasi schmunzeln.