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Ägypten hat einen Präsidentschaftskandidaten mehr. Der Oppositionelle Ajman Nour hat gestern offiziell erklärt, sich für die Wahlen im September aufstellen zu lassen. Es handelt sich dabei um die ersten offenen Präsidentschaftswahlen am Nil. Hosni Mubarak, Staatschef seit 1981, hatte vor kurzem der Forderung der USA nach mehr Demokratie nachgegeben.
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Unter dem Jubel seiner Anhänger verkündete gestern Ajman Nour seine Kandidatur bei der Präsidentenwahl - nur vier Tage nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis. Sechs Wochen lang war der Oppositionelle in Haft. Er wurde verdächtigt, die Unterschriften für die Zulassung seiner "al-Ghad"-Partei zu den Parlamentswahlen letztes Jahr gefälscht zu haben. Nour beteuerte seine Unschuld und trat in einen Hungerstreik.
Seine Haftentlassung dürfte der 40-Jährige jedoch der Regierung der USA verdanken. Die beobachtete bereits seit langem mit Missmut das Demokratiedefizit in Ägypten. Präsidentenwahlen gab es dort bisher noch nie. Der oberste Mann im Staate wird lediglich alle sechs Jahre durch ein Referendum in seinem Amt bestätigt. Gegenkandidaten gab es dabei keine. Seit über 25 Jahren haben die USA über Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen in Ägypten hinweg gesehen. Dies war die Belohnung für den 1979 mit Israel geschlossenen Friedensvertrag und für den positiven Einfluss des Landes auf die Palästinenser.
Doch Bushs Demokratieoffensive im Nahen Osten machte auch vor Ägypten nicht Halt. Präsident Mubarak erkannte die Zeichen der Zeit und ließ die Verfassung ändern. So werden im Herbst zum ersten Mal in der Geschichte Ägyptens bei der Präsidentschaftswahl mehrere Kandidaten antreten.
Die Verhaftung Ajman Nours war ein neuerlicher Rückschlag im bilateralen Verhältnis. US-Außenministerin Condoleezza Rice hatte wiederholt ihre Sorge über die Inhaftierung des Oppositionellen geäußert. Schließlich sagte wegen der Affäre ihren Besuch in Kairo ab. Entsprechend erfreut war man über die Freilassung des Oppositionellen. "Wir sind erfreut, dass Nour frei ist, seine Arbeit fortzusetzen", sagte ein Sprecher.
Groß sind die Chancen für Nour freilich nicht, tatsächlich Präsident zu werden. Mubarak hat bereits angekündigt, für eine fünfte Amtszeit zu kandidieren. Seine National-Demokratische-Partei dominiert im 454 Mandatare fassenden Parlament. Die al-Ghad-Partei hingegen ist mit nur 7 Stimmen vertreten.
Neben Nour tritt auch die Frauenrechtlerin Nawal Saadawi bei den Wahlen an. Auch für sie war der Weg zur Kandidatur alles andere als leicht. Sie musste sich gegen islamische Religionsgelehrte durchsetzen, die Frauen generell von der Kandidatur ausschließen wollten. Das Argument: Menstruationsbeschwerden würden es unmöglich machen, ein Land zu führen. Für Saadawi war dies kein Thema. Die 73-Jährige erklärte, nur noch eine ferne Erinnerung an Monatsblutungen zu haben. Und doch hat Saadawi, die den Einfluss Israels und der USA in der arabischen Welt reduzieren möchte, höchstens Außenseiterchancen im Rennen um das Präsidentenamt.
Noch kein ernsthafter Gegenkandidat in Aussicht
Tatsächlich hat sich bisher keine Persönlichkeit aus der Deckung gewagt, die eine echte Chance gegen Mubarak hätte. Zudem fürchtet die Opposition, er und Funktionäre seiner Partei könnten versuchen, Präsidentensohn Gamal als Nachfolger in Position zu bringen. Das ist aber nicht das einzige, was der ägyptischen Demokratiebewegung Sorge bereitet. Für sie sind die offenen Wahlen nur ein erster Schritt in Richtung Reform. Das Komitee fordert, dass der Präsident nur auf fünf Jahre gewählt wird. Zudem solle eine Wiederwahl nur einmal möglich sein. Hauptanliegen ist allerdings, die Macht zu beschränken, die das Präsidentenamt derzeit mit sich bringt. Der Präsident kann derzeit die Arbeit des Parlaments als auch der Regierung maßgeblich beeinflussen.
Wenn auch sie gemächlich voranschreiten, so sind die Umwälzungen am Nil doch spürbar, denn Fortschritte ergeben sich nicht nur auf innenpolitischer Ebene. Nach mehr als vier Jahren hat Ägypten gestern wieder einen Botschafter nach Israel entsandt. Dieser war abberufen worden, um gegen Israels Verhalten gegenüber den Palästinensern zu protestieren. Er bringe ein Signal für Frieden und Kooperation, erklärte Mohammed Assem Ibrahim bei seinem Dienstantritt - auch hier also der Anbruch einer neuen Ära in Ägypten.