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Eine neue Dimension des Neonazi-Terrors

Von Bettina Figl

Politik

"Objekt 21": Grenzüberschreitende Kooperation über ein Söldner-System.


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Wien/Linz. Brandanschlag, Erpressung, Körperverletzung: Der Neonazi-Verein "Objekt 21" soll bei seinen kriminellen Machenschaften auf eine Art "grenzübergreifendes Söldnersystem" zurückgegriffen haben: "Deutsche Neonazis haben in Österreich zugeschlagen und umgekehrt", bestätigt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) der "Wiener Zeitung".

Zur Erinnerung: Ende Jänner wurde in Oberösterreich ein Neonazi-Ring zerschlagen, mehrere der 24 inhaftierten Personen waren Mitglieder von "Objekt 21", dessen Vereinshaus sich im oberösterreichischen Desselbrunn (Bezirk Vöcklabruck) befand. Hauseigentümer war ausgerechnet der Vater von Regisseur Stefan Ruzowitzky, der für sein KZ-Drama "Die Fälscher" einen Oscar erhielt. Die Nazi-Bande lukrierte ihre Einnahmen aus Waffen- und Drogenhandel, verübte Gewalt- und Vermögensdelikte und war im Rotlicht-Milieu aktiv, unter anderem soll sie einen Bordellbesitzer mit einer Kettensäge misshandelt haben. Gesamtschaden: mindestens 3,5 Millionen Euro.

Zwar sind Verbindungen zwischen der deutschen und österreichischen Neonaziszene nichts Neues, grenzübergreifende kriminelle Aktivitäten dieser Dimension allerdings schon. Im Oktober 2012 - also Monate vor dem Zugriff in Oberösterreich - hatte die Staatsanwaltschaft Wels einen internationalen Haftbefehl gegen den Deutschen Andreas P. beantragt. Ihm wird schwerer Raub, Einbruch, Körperverletzung, Brandstiftung, gefährliche Drohung und Erpressung vorgeworfen, die Taten soll er zwischen Herbst 2011 und Sommer 2012 in Wien und Oberösterreich begangen haben. Im November des Vorjahres wurde er schließlich in Gotha in Thüringen verhaftet und nach Österreich ausgeliefert. Zudem soll sich in Oberösterreich zumindest ein weiterer deutscher Neonazi in U-Haft befinden.

Die Hausgemeinschaft Jonastal ist das Thüringer Pendant zum "Objekt 21", hier war auch der Thüringer Heimatschutz aktiv, eine rechtsradikale Vereinigung, in der Ralf Wohlleben eine tragende Rolle spielte, mutmaßlicher Mittäter im Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Indizien für ein deutsch-österreichisches Naheverhältnis finden sich auch im Internet: Beim "Objekt 21" spann Jürgen W. die Fäden, der mehrfach vorbestrafte Neonazi aus Ebensee führte schon den Kampfverband Oberdonau an und wurde 2009 zu einer Haftstrafe verurteilt. Im Herbst 2010 musste er neuerlich hinter Gitter, aus der Zelle heraus forderte er auf seinem Facebook-Profil "Freiheit für Wolle", womit Wohlleben gemeint war.

Kooperation der Behörden

Als Anzeichen dafür, dass der NSU auch in Österreich operiert haben könnte, kann auch ein Treffen zwischen deutschen und österreichischen Behörden gedeutet werden, das Anfang April stattfinden soll. Dabei soll es um den nach wie vor ungelösten Mordversuch auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl gehen - aber nicht nur, wie Michael Tischlinger, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz betont, denn: "Es gibt keinen konkreten Hinweis, dass jemand vom ,Objekt 21‘ etwas mit dem Fall Mannichl zu tun gehabt hat."

Mannichl war 2008 Opfer nationalistischer Parolen und einer Messerattacke geworden: Die elf Zentimeter lange Klinge hatte das Herz nur knapp verfehlt, eine Notoperation rettete dem Spitzenbeamten das Leben. Hintergrund dürfte sein, dass Mannichl bei einer Gedenkveranstaltung für Kriegsopfer auf eine Grabplatte gestiegen sein soll, was auf einschlägigen Internetseiten für Unmut gesorgt hatte. Vermutungen, dass hinter dem Mordanschlag die Zwickauer Terrorzelle stecken könnte, haben sich bisher nicht erhärtet. Nach wie vor ist das Internet ein Keimherd für nationalsozialistisches Gedankengut - wie ist es möglich, dass sie dort offensichtlich gegen das Verbotsgesetz verstoßen? "Das spricht gegen die Polizei, Justiz und die Öffentlichkeit, die das zulässt", sagt Peham, und: "Die Beamten brauchen stärkeren politischen Rückhalt im Kampf gegen Neonazismus." Dass es diesen nicht gibt, sieht er als Langzeitfolge der schwarz-blauen Regierung: "Damals konnten sich solche Strukturen aufbauen - und es gibt noch sehr viel aus dieser Zeit aufzuarbeiten."