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Eine neue Generation von Fußballern belebt Österreichs Nationalteam

Von Simon Rosner

Analysen

Der Wahnwitz dieses 4:4, der Irrsinn eines 90-minütigen Schlagabtauschs, wie ihn einander am Dienstag Österreich und Belgien boten, verstellt die Sicht auf die Realitäten. Doch dafür illustriert diese Partie der Nationalmannschaft in schreienden Neonfarben, was sich hierzulande im Fußball verändert hat.


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Das Nationalteam stand jahrzehntelang für ein abwartendes, hölzernes Spiel. Es agierte nicht, es reagierte, es geigte nicht, es kämpfte. Doch wenn ein Gegentreffer fiel, dann wars das auch mit dem Kampf, dann ergab sich die Auswahl willenlos.

Doch was war, ist nicht mehr. Die heutige Spielergeneration hat andere Fertigkeiten, und sie erfährt eine andere Sozialisierung im Fußball. Sie sieht die Champions League im Fernsehen, sie spielt Hochgeschwindigkeitsfußball auf der Playstation und zieht sich die Tricks der Superstars auf Youtube hinein. Auch wenn das bei einigen von außen nicht so wirken mag, ist der Ehrgeiz dieser Generation, in die Champions-League-Playstation-Youtube-Welt aufzusteigen, sehr groß.

Schon seit einigen Jahren fördert der ÖFB diese Spieler, wofür die Erfolge der Nachwuchsteams ein Beleg und die attraktive Spielweise jener Talenteauswahlen ein weiterer Beweis sind.

Allerdings ist Österreich nicht allein. Auch die Belgier haben diese neue Generation, genauso die Deutschen und Schweizer.

Die potenzielle Offensivkraft der Nationalmannschaft ist jedenfalls so groß wie schon lange nicht mehr. Während Vorgänger von Didi Constantini Angriffsspieler noch quasi erfinden mussten, kann sich der Teamchef leisten, Spieler wie Leitgeb, Ivanschitz, Janko und Korkmaz draußen zu lassen. Welch Luxus! Aber er hat ja Marko Arnautovic.

Dieser hat jetzt zweimal bewiesen, welch spielerische Extraklasse in ihm steckt. Er ist einer, an den man glauben kann, so wie ganz Österreich bei der EM an Ivo Vastic glaubte oder davor an Andreas Herzog. So einer hat der Nationalmannschaft gefehlt.

Die Dichte im Team ist größer geworden, wohl auch eine Folge besserer Nachwuchsarbeit bei den Klubs und im Verband. Brasilien wird Österreich nie werden, aber nun verfügt man hierzulande über Spieler mit ausgeprägten Stärken: die Schnelligkeit von Harnik und Hoffer, die Laufstärke von Maierhofer, die Zweikampfstärke von Pogatetz, der Wille von Scharner. Aus dem lässt sich schon etwas basteln. Wesentlich ist, diese Stärken (und auch Schwächen) richtig zu bewerten und einzusetzen. Otto Baric war so ein Bastler, ein großer Analytiker.

Sein ehemaliger Assistent Didi Constantini hat dies noch nicht bewiesen. Taktisch wird kaum gearbeitet, die einzelnen Formationen werden nicht speziell geschult, und beim Spiel gibt es kaum Aufgabenverteilungen, das bestätigen auch die Spieler. Das ist der pure Anachronismus, international wird längst anders gearbeitet. Um diese Generation wirklich weiterzubringen, wird sich Constantini umstellen müssen.