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Eine neue Lebensmittelkrise droht - und damit neue Unruhen weltweit

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Haiti, Ägypten, Kamerun, Cote dIvoire, Mauretanien, Äthiopien, Madagaskar, Philippinen und Indonesien - all diese Länder erlebten im Jahr 2008 Unruhen, ausgelöst durch die damals rapide angestiegenen Lebensmittelpreise. Im Jahr 2011 liegen die Nahrungsmittelpreise sogar noch darüber - der entsprechende Index der Welternährungsorganisation FAO weist den höchsten Stand seit seiner Einführung Anfang der 1990er Jahre auf.


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Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak ließ 2008 die Armee ausrücken, um Brot zu backen und an die Armen zu verteilen. Mit solchen Maßnahmen werden sich die gegenwärtigen Proteste nicht mehr beschwichtigen lassen, geht es doch den Ägyptern längst um mehr als um den Brotpreis. Dennoch dürften die Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln um 20 Prozent innerhalb eines Jahres einiges zu der Unzufriedenheit beigetragen haben, die jetzt in den Forderungen nach mehr Demokratie und dem sofortigen Sturz Mubaraks kulminiert.

Das Land ist ein anschauliches Beispiel dafür, was hohe Lebensmittelpreise in einem Entwicklungsland anrichten können. Ägypten muss, wie auch andere nordafrikanische Länder, rund 50 Prozent seiner Nahrungsmittel importieren, bei dem für das Brot benötigten Weizen sind es sogar 60 Prozent. Insbesondere der Weizenpreis ist aber in der zweiten Jahreshälfte 2010 um mehr als die Hälfte gestiegen.

Das trifft vor allem die Ärmsten der Bevölkerung, die bis zu 80 Prozent ihres Einkommens nur für das Essen aufwenden. Bereits heute muss das World Food Programme der UNO fast 400.000 Ägypter mit Nahrungsmittelhilfe unterstützen. Und die FAO hat keine gute Aussichten für die Ägypter und alle andere betroffenen Länder parat: Der Aufwärtstrend bei den Lebensmittelpreisen werde nicht nachlassen. Weizen und Mais, aber auch Ölsaaten, Milch und Zucker sind von den Preissteigerungen betroffen.

2008 geriet unter anderem die Erzeugung von Biosprit als Verursacher der Krise in Verruf. Davon ist heute keine Rede mehr. Unverändert hält sich allerdings der Vorwurf, dass Spekulanten den Preisanstieg weiter anheizen. Noch nie wurden so viele Agrarderivate gehandelt wie derzeit. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat zu Beginn seines G20-Vorsitzes erklärt, er wolle die Spekulation mit Agrarrohstoffen eindämmen. Davon hatte man allerdings auch schon 2008 gesprochen.

Als einzige Kategorie von Preissteigerungen nicht betroffen ist übrigens Fleisch. Der Grund dafür ist aber gleichfalls nicht erfreulich: Für die Preisstagnation wird der deutsche Skandal um dioxinhaltiges Fleisch verantwortlich gemacht.